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Zitronentagetes

Zitronentagetes

Titel: Zitronentagetes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Orlowski
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sogar bis an die Schmerzgrenze. Jetzt sah sie ihn an und erwartete offenbar eine Antwort.
    »Entschuldigung, was hast du gesagt?«
    Flo lachte auf. »Du scheinst ein wenig zerstreut, was? Ich wollte wissen, wo dieses Foto aufgenommen wurde?«
    »Lass mal sehen.« Gemeinsam beugten sie sich über die Schnappschüsse, die Amy auf dem Sideboard drapiert hatte.
    Beim zweiten Glas Wein kicherte sie völlig unbeschwert und hörte ihm zu, als er Abenteuer aus seiner Highschoolzeit zum Besten gab. »Nun, ist es mir gelungen ?«
    »Was denn?«
    »Du bist nicht mehr wütend.«
    Sie überlegte kurz. »Stimmt. Und was ist mit euch beiden?«
    »Wie meinst du das?« Er hob die Weinflasche an, um ihr nachzuschenken, doch sie schüttelte den Kopf.
    »Für heute habe ich genug getrunken. Sieh dich doch um in St. Elwine. Nahezu alle Paare in unserem Alter sorgen für Nachwuchs. Wolltest du nie Kinder?«
    Er musterte sie verwirrt. »Ich weiß nicht.« Unschlüssig hob er die Schultern.
    »Was denn, hast du nie mit deiner Partnerin darüber gesprochen? Amy möchte doch bestimmt Kinder. Jede Frau wünscht sich das – früher oder später.«
    »Äh …« Er wich ihrem Blick aus.
    Sie spürte offenbar sein Unbehagen und lenkte ein. »Entschuldige, es geht mich ja nichts an. Du kennst mich doch. Mein Mundwerk schaltet sich ein, bevor mein Hirn es tut. Ich glaube, daran sollte ich noch ein bisschen arbeiten.«
     
    Einige Zeit, nachdem Flo gegangen war, kam Amy heim. Etwas überrascht registrierte sie die leere Flasche Wein in der Küche. »Hallo, du hast hoffentlich schon gegessen?« Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
    »Sicher.«
    »Es ist später geworden, als ich dachte.«
    »Kein Problem.« Er saß auf der Couch und rührte sich nicht. Sollte er fragen, wo sie so lange gewesen war? Sofort verwarf er den Gedanken.
    Irgendetwas an seiner zur Schau getragenen Ruhe provozierte sie. Er sah es ihr an.
    »Du hast Wein getrunken. Allein?«
    »Wieso nicht?«
    »Gibt es einen besonderen Grund?«
    »Brauche ich den, um eine Flasche Wein aufzumachen?«
    Sie seufzte leise. »Wenn du jede meiner Fragen lediglich mit einer Gegenfrage beantwortest, können wir uns die Unterhaltung gleich verkneifen. Ich bin durstig.« Sie ging in die Küche.
    Marc folgte ihr.
    Als Amy ihr Glas in den Geschirrspüler räumte, entdeckte sie die zwei Weingläser.
    Sie zuckte zusammen. »Du willst mir nicht sagen, wer hier war?« Sie klang jetzt sehr müde.
    »Floriane kam kurz mit rauf.«
    Amy sah ihn an und nickte nur.
    »Und du, wo bist du gewesen?« Er hätte sich am liebsten geohrfeigt, dass er sie das doch noch fragte.
    »Ich kriege vielleicht einen Job. Über den Winter, wenn keine Touristen kommen, sitze ich hier meistens rum. Dieses Jahr möchte ich das anders machen.«
    »Aha.«
    »Ja. Allerdings müsste ich jeden Tag nach Baltimore pendeln, darum überlege ich noch ein wenig.«
    »Hat Jenny dir den Job besorgt?«
    »Nicht direkt, sie hat mir lediglich einen Tipp gegeben.«
    »Verstehe. Und vorhin fand also das Vorstellungsgespräch statt?«
    »So in etwa.«
     
    Marc registrierte Amys gleichmäßige Atemzüge. Sie hatte sich wie ein Embryo zusammengerollt und war beinahe sofort eingeschlafen. Offenbar lag ihr nichts mehr daran, sich an ihn zu kuscheln. Wann hatten sie eigentlich das letzte Mal miteinander geschlafen? Er erschrak, weil es ihm beim besten Willen nicht einfallen wollte. Es war in der Vergangenheit des Öfteren vorgekommen, dass sie ihn infolge eines Streits mit Sexentzug bestrafte. Wenn er es sich richtig überlegte, stritten sie auch nicht mehr richtig. Ihm fielen Flos Worte wieder ein. » Männer wie du sind harmlos .« Ob Amy ihn auch nur noch für harmlos hielt? Dieser Gedanke versetzte ihm einen Stich.
     
    *
     
    In New York fand eine bewegende Trauerfeier für die Opfer des 11. September statt.
    Vicky weigerte sich, daran teilzunehmen. Josh schwankte zwischen Verständnis für seine Schwester und dem Wunsch, sie kräftig durchzuschütteln, damit sie zur Vernunft kam. Solange Vicky nichts Gegenteiliges von offizieller Seite hörte, ging sie davon aus, dass ihr Mann lediglich als vermisst galt.
    In den vergangenen Wochen hatte sie nach ihm gesucht und sich bis an den Rand der Erschöpfung verausgabt. Oft brachte sie die Feuerwehrleute oder die Helfer, die sich an die Aufräumarbeiten machten, zur Verzweiflung. Dad, Elizabeth und Josh unterstützten sie, so gut sie es vermochten, doch sie durften sich nicht selbst in Gefahr

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