Zitronentagetes
dem letzten Patienten.«
Liz grinste. »Wieso, war doch ein gelungener Auftritt.«
»Ich wusste doch nicht, dass Marc nicht mehr auf der Intensivstation liegt.«
»Macht nichts.«
»Ausgerechnet in … eh … diesem Zustand musste ich Marc sehen.«
»Er war in gar keinem Zustand.«
»Wie meinst du das?«
»Egal. Vergiss es. Willst du nicht noch mal zu ihm gehen und ihm ein frohes Fest wünschen?«
»Nicht mehr als Weihnachtsmann. Er darf auf keinen Fall spitzkriegen, dass ich unter dem Kostüm gesteckt habe.«
»Okay, dann nimmst du die Aufgabe eben als ehrenamtlicher Seelsorger in Angriff und überreichst ihm im Namen der Klinik das kleine Geschenk.«
Floriane wurde hellhörig. »In Angriff nehmen klingt wie eine Kampfansage.«
Ist es auch.
»Kannst du das als stellvertretende Chefärztin nicht viel besser?«
»Marc ist nicht gut auf mich zu sprechen.«
»Seit wann?«
»Ich glaube, seit der letzten Operation, der …« Sie zögerte. »Seit der Amputation.«
Florianes Kopf schoss hoch. Sie schlug sich die Hand vor den Mund. »Nein.« Ihre Augen schwammen augenblicklich in Tränen. »Hast du nichts tun können?«
»Warum fragen mich das eigentlich alle?«, wehrte Elizabeth ab. »Josh, jetzt auch noch du und Marc natürlich. Er hat regelrecht gebettelt.«
Flo liefen Tränen über die Wangen.
»Weißt du, wie ich mich dabei gefühlt habe?«, brach es aus Elizabeth hervor. Sie konnte nicht mehr länger dagegen ankämpfen und begann zu schluchzen. »Ich habe mich oft zusammennehmen können. Damals, als Josh in die Notaufnahme kam, als Tyler den schlimmen Reitunfall hatte oder als ich Don Ingram für tot erklären musste. Aber als ich Marc das rechte Bein absägen sollte, da …«
Sie sah Flo an, dass sie sich am liebsten die Hände auf die Ohren gepresst hätte, und war ihr dankbar, dass sie dennoch zuhörte.
»Jefferson hat mich aus dem OP geworfen.«
»Was?«
»An jenem Abend, ich habe die Schnitte geführt, den Knochen freigelegt …«
»O Gott.«
»Und als ich das Geräusch der Säge vernahm, konnte ich nicht weitermachen. Ich begann zu weinen und Jefferson brüllte: Raus! Nur ein einziges Wort, aber sein durchdringender Blick traf mich bis ins Mark.«
»Konnte er denn nicht begreifen …«
Liz musste beinahe lächeln, als Flo entrüstet Partei für sie ergriff. »Doch natürlich, das ist es ja gerade.«
»Ich verstehe nicht.«
»Sein Ton war barsch und kalt wie nie zuvor, aber sein Blick bat mich um Vergebung. Wir wussten beide, dass Marc diese Infektion nur überleben würde, wenn wir sein Bein opferten. Ein hoher Preis für ein Menschenleben. Und Jefferson hatte keine Wahl. Er musste es tun, weil ich, seine angeblich beste Chirurgin, nicht dazu in der Lage war. Ich konnte nicht mal zusehen. Aber nach Hause gehen kam auch nicht infrage. Also habe ich gewartet. Später, Jefferson wähnte sich allein, beobachtete ich, wie seine Schultern bebten. Er hat im Anschluss an die Amputation ebenfalls geweint. Wir kennen Marc viel zu gut. Jefferson sah noch einmal nach ihm. Noch in der Narkose, wohlgemerkt nach dem Eingriff, sagte Marc leise: Bitte, Liz, hilf mir. Lass das nicht zu. Jefferson hat mir davon erzählt und sich auch für sein rüdes Auftreten im OP entschuldigt. Ich musste so handeln, sagte er. Natürlich, ich verstand ihn viel zu gut.« Sie weinte jetzt.
Floriane nahm sie fest in die Arme. Sie strich über ihren Rücken und drückte sachte ein Küsschen auf ihre Wange. »Frohe Weihnachten, Lizzy. Ich habe dich lieb.«
*
Flo fühlte sich unbehaglich und zögerte beim Hinunterdrücken der Klinke zu Marcs Krankenzimmer. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie bei ihrem Eintritt vorhin nur auf sein Geschlechtsteil gestarrt hatte und ihr der Beinstumpf gar nicht aufgefallen war. Nein, verbesserte sie sich im Stillen, nicht gestarrt – lediglich einen Blick geworfen. Einen ganz flüchtigen. Zufällig. Sie drückte entschlossen die Klinke hinunter und vertrieb das Bild, das sich hartnäckig vor ihrem geistigen Auge hielt, mit einem Räuspern. »Hallo Marc, wie geht’s dir?«
»Oh, sekündlich besser.«
Sie gab sich alle Mühe, nicht auf die sich nur einseitig abzeichnende Kontur unter seiner Decke zu achten. »Ich möchte dir im Namen des St. Elwine Hospitals eine kleine Aufmerksamkeit zu Weihnachten überreichen.«
Marc war ehrlich überrascht. »Danke, dass du mir keine Fröhliche Weihnacht gewünscht hast .«
Sie räusperte sich und stellte das kleine Päckchen auf
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