Zitronentagetes
hatte offensichtlich heute noch nicht viel gegessen. »Man könnte meinen, da wären echte Waldpilze drin«, warf Flo ein.
»Ja wirklich, sehr köstlich, Mrs. Chappell.«
»Vielen Dank, Val. Ich habe das letzte Schälchen Pilze aufgetaut.«
»Warst du im Herbst sammeln?«, wollte Flo wissen.
»Das ist mir zu mühsam, aber Tyler und Ryan stromern gern herum.«
Es war nicht einfach, Kevin zu überzeugen, ins Bett zu gehen. »Du bist doch morgen früh noch da, oder?«
Val warf einen hastigen Blick auf Flo. Die deutete, wenn auch unmerklich, ein Nicken an. Val versprach Kevin, ihn zur Schule zu begleiten.
»Ich kann doch nicht zur Schule gehen, wenn du da bist, Dad. Wir haben so viel nachzuholen.«
»Vergiss das ganz schnell, Liebling. Du wirst zur Schule gehen, verlass dich darauf.«
Kevin schmollte.
»Deine Mutter hat recht.«
Er gab sich geschlagen und ließ sich von seinem Dad ins Bett bringen.
Flo setzte sich in ihr Wohnzimmer und wartete auf Val. Was gab es Dringendes, dass er sie persönlich aufsuchte? Sie war sich ziemlich sicher, dass er nicht wieder mit ihr anbändeln wollte. Da sie ihren Jungen gut kannte, fürchtete sie, Kevin würde sich Hoffnungen machen. Sie hatte sich immer gewünscht, dass Val Kontakt zu seinem Kind aufnahm. Aber jetzt, nach so vielen Jahren schien ihr der Zeitpunkt unpassend. Er hatte in den letzten Jahren eindeutig zugenommen, sah aber immer noch recht attraktiv aus.
»Darf ich mich setzen?«
»Natürlich. Möchtest du ein Bier?«
»Hast du welches im Haus? Gern.«
Bertha verspürte hin und wieder Appetit auf Gerstensaft. Sie reichte ihm die Flasche und ein Glas, Letzteres ignorierte er. Flo musterte ihn prüfend. Seine Augen waren rot gerändert. Vor Müdigkeit?
»Darf ich rauchen?«
»Nicht hier drin.«
»Aber es regnet in Strömen.«
Tja, Pech. »Was hast du auf dem Herzen, Val? Die tolle Vater-will-Sohn-sehen-Nummer kann ich dir nicht ganz abnehmen, sorry .«
»Ich weiß, was du sagen willst: so viel Zeit und …«
»Ganz genau.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
»Es tut mir leid, aber ich habe es auch nicht leicht.«
»Erspar mir das, bitte. Was führt dich zu mir?«
»Du hast dich verändert. Bist eindeutig nicht mehr das graue, leicht zu beeindruckende Mäuschen. Du hast dein Leben im Griff, die Wohnung sieht gemütlich aus und von deiner einstigen Schüchternheit keine Spur mehr.«
Sie ging nicht darauf ein.
»Es geht um Mutter. Es war gar nicht so leicht, dich aufzuspüren. Du hast eine neue Telefonnummer und unter deiner letzten Adresse gibt es kein Haus mehr.«
Sie wartete, dass er fortfuhr, doch er tat es nicht.
Ihre Gedanken gingen zu Hannah Usher, der personifizierten bösen Schwiegermutter. Bereits der flüchtige Moment der Erinnerung jagte ihr einen Schauder über den Rücken. Flo hatte Jahre gebraucht, um sich gegen die manipulative, intrigante, egozentrische Frau zur Wehr zu setzen. Auch einer der Gründe, warum ihre Ehe mit Val letztlich zum Scheitern verurteilt gewesen war. Außerdem hatte sie keineswegs vergessen, dass Val nie um sie gekämpft hatte. Vielleicht war das auch gut so. Immerhin hatte er ihr nach der Trennung auch keine Steine in den Weg gelegt. Flo fielen die gelblichen Flecken an den Fingern seiner rechten Hand auf. Er musste in letzter Zeit sehr viel geraucht haben.
»Ich hatte einen anstrengenden Tag. Wie wäre es jetzt mit der Auflösung des Rätsels?«
Er sah sie entgeistert an und sie merkte, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders gewesen war. »Entschuldige. Ich werde den Unterhalt für Kevin eine Weile nicht zahlen können.«
»Das kannst du nicht machen. Wir brauchen das Geld.« Flo hörte die Verzweiflung in ihrer Stimme und ärgerte sich darüber.
»Lass mich bitte erklären.«
»Da bin ich aber mal gespannt.«
»Meine Mutter ist sehr krank. Sie hat Krebs und die Chemotherapie wollte zunächst nicht anschlagen.«
»O Gott.«
»Es gibt wieder Hoffnung. Mein Vater hat alle Hebel in Bewegung gesetzt und sich an einen Arzt in New York gewandt. Der arbeitet an einer Studie, und sie probieren neue Medikamente aus. Leider erfüllt Mutter nicht ganz die Voraussetzungen, um an dieser Studie teilnehmen zu können. Aber Vater wollte dennoch nicht aufgeben und bat darum, Mutter in der New Yorker Klinik mit den Medikamenten zu behandeln – auf eigene Kosten.«
»Ich verstehe. Ihr kratzt alle eure Ersparnisse zusammen, um deiner Mutter die Behandlung zu ermöglichen.«
»So ist es. Und ein Großteil
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