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Zitronentagetes

Zitronentagetes

Titel: Zitronentagetes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Orlowski
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Frau zum Weinen gebracht«, führte Josh zur Erklärung an.
    Mehr brauchte er nicht zu sagen. Marc senkte schuldbewusst den Kopf. Also hatte er sich die Distanz zwischen ihnen doch nicht nur eingebildet. »Das hast du doch auch. Dutzende Male, wenn ich mich recht erinnere.
    »Überspann den Bogen nicht, Cumberland.«
    »Okay, es tut mir leid.«
    »Nicht mir, ihr musst du das sagen. Sie hat es verdient.«
    »Das hat sie.« Marc nickte.
    Josh zog ihn in die Arme und klopfte ihm auf die Schulter. »Jetzt zeig, was du hier gelernt hast.«
    Sie gingen zusammen zur Cafeteria. Marc brauchte zwar immer noch die Stützen, aber er fuhr nicht im Rollstuhl vor ihnen her. Das machte ihn stolz. Er fühlte sich so gut wie lange nicht mehr. So, als hätte sich in seinem Inneren eine Schleuse geöffnet. Und so redete er und redete. Berichtete vom Schwimmen, der Sporttherapie, dem Gangtraining mit Videokontrolle, der Ergotherapie, wo er Laubsägearbeiten ausführte. Er schilderte, was alles bei der Versorgung mit einer optimalen Beinprothese beachtet werden muss: die Stoßdämpfung beim Auftritt, beispielsweise beim Fersenauftritt zur Entlastung der Gelenkkette. Oder, dass zur Erleichterung des Laufens beim Fersenauftritt die aufgenommene Energie in Karbonstäben gespeichert wird. Dass auf unebenem Untergrund Stabilität und hohe Sicherheit gewährleistet sein müssen, und bei der Abrollbewegung des Fußes die vom System gespeicherte Energie in der Vorwärtsbewegung des Prothesenfußes abgegeben wurde, um das Gehen weniger anstrengend zu machen. Er erklärte die Konstruktion der Stäbe, deren Anordnung als nebeneinanderliegendes Paar eine leichte Rotation innerhalb des Systems ermöglichte, sodass die natürliche Bein-Becken-Rotation simuliert wird, flexible Karbonstäbe den Bewegungsablauf des Prothesenträgers unterstützen und seine Dynamik weitestgehend wiederherstellen. Mittlerweile hatte man ihm statt der Einzelsitzung Gruppengespräche verordnet – was eigentlich ein Fortschritt war. Doch die Querelen mit dem Psychoheini erwähnte er nicht. Noch immer stand er mit ihm auf Kriegsfuß. Der wollte alles nur schönreden. Am liebsten würde er sich bei den Positiv-Denken-Parolen den Finger in den Hals stecken. Zu dumm, dass er Kotzen in etwa genauso sehr verabscheute wie Durchfall oder Verstopfung.
    »Wir sollen dich natürlich von allen möglichen Leuten grüßen. Ganz besonders von Flo. Ihr Redefluss scheint direkt auf dich abgefärbt zu haben.«
    Bei Joshs zweideutiger Miene hielt Marc abrupt inne. »Was hat sie gesagt?«
    »Du kennst sie ja. Sie textet einen zu, irgendwann schalte ich auf Durchzug, nicke, lächle. Im Endeffekt übermittelt sie dir alles Liebe.«
    »Hm.«
    »Alles Liebe oder alles Gute sind zwei verschiedene Redewendungen«, frotzelte Josh.
    »Sie ist ein nettes Mädchen.«
    Tyler und Josh prusteten leise. Marc behielt besser auch für sich, dass das nette Mädchen ihm zum Abschied feinsten griechischen Joghurt mitgegeben hatte. Damit seine Verdauung wieder ins Lot kam, wie sie gesagt hatte. Ihm fiel ein, wie peinlich berührt er gewesen war, weil sie für ihn Geld ausgegeben hatte. Er hätte schwören können, dass sie sich eine Träne verdrückt hatte. Wie sich allerdings herausgestellt hatte, war sie nicht kontaktscheu und daher keineswegs einsam ohne ihn. Dieser Gedanke führte dazu, dass er sich beleidigt fühlte. Eine Tatsache, die ihn irritierte, daher schnitt er ein anderes Thema an. »Hast du Carolyne getroffen?«
    Josh bewegte bedächtig den Kopf und steckte ihm die Zunge raus.
    »Hör mal. Man wird doch fragen dürfen.«
    »Habe ich etwas verpasst?«, wollte Tyler wissen.
    »Komm schon, erzähl«, forderte Marc seinen Freund auf.
    »Ich habe vor ein paar Tagen den Fehler begangen, nach Tanner House zu fahren. Nicht ahnend, dass Carolyne, Angelinas ehemalige Mitschülerin, schon zwei Tage vor dem Klassentreffen angereist war«, erklärte er Tyler. »Da ihre Eltern bereits vor Jahren aus St. Elwine fortgezogen sind, hat Angi ihrer Freundin ein Gästezimmer auf Tanner House angeboten. Ich schlug den Weg zur Bibliothek ein, um mich mit meinem Vater zu unterhalten und durchquerte die Eingangshalle von Tanner House.
    ‚Sieh mal einer an – wen haben wir denn da?‘
    Als mir jemand in den Hintern zwickte, fuhr ich herum.
    ‚Hallo Josh, schön dich wiederzusehen.‘
    Carolyne sah anders aus. Fast hätte ich sie nicht erkannt. Sie war …« Er suchte nach dem richtigen Begriff. »… aufgegangen wie ein

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