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Zivilcourage - Keine Frage

Titel: Zivilcourage - Keine Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Wagner , Constanze Loeffler
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Fehlende Eindeutigkeit der Situation (Ist es wirklich eine Notlage?),
    • Opfer nicht sichtbar (Ist das Opfer klar auszumachen?),
    • Zeit und Ort (Wann und wo spielt sich die Situation ab?),
    • Merkmale des Opfer (Stößt mich etwas an ihm ab?),
    • eigene Gefahr (Wie groß ist mein Risiko?),
    • Zuständigkeitsdenken (Braucht man mich überhaupt?).
    Ist die Lage eindeutig – oder nicht? Geht hier ein Vater lediglich vertraut mit seiner Tochter um? Oder agiert ein potenzieller Kinderschänder? Bleibt es beim Streit zwischen Mann und Frau, oder wird einer der beiden gleich handgreiflich? Kabbeln sich zwei Jugendliche im Spaß oder droht ein Gewaltexzess? Je unsicherer Sie sind, um welche Situation es sich handelt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Sie eingreifen. Als Opfer können Sie die Situation klarstellen, indem Sie eindeutige Signale geben: um Hilfe rufen, Blickkontakt halten oder Hilfeappelle direkt an einen der Umstehenden adressieren. Dadurch erschweren Sie die Weitergabe der Verantwortung von einem auf den anderen Zuschauer und erleichtern dem Helfer seine Entscheidung.
    Polizei, Notarzt, Feuerwehr – für jede Situation gibt es genug Fachleute, die perfekt ausgebildet sind und die sich im Notfall kümmern sollen. Warum muss also ich noch ran? Nicht selten beruhigt der Nichthelfer sein Gewissen, indem er sich auf diese Position zurückzieht. Und dennoch: Stehen Gerätschaften wie Rettungsringe, Leitern oder Verbandskästen zur Verfügung, können sie das Engagement auch von Nichtprofis bahnen und auffordernd wirken. Notrufsäulen und Telefonzellen erinnern an die Möglichkeit, Hilfe zu rufen.
    Ich habe doch gesehen, dass etwas passieren würde, sagt er. Warum habe ich dann nicht vertraut auf das, was ich sehe? 10
    Viele Über- oder Zwischenfälle passieren im Dunkeln, laufen zu schnell ab oder ereignen sich in der Ferne. Der Beobachter ist sich daher oft unsicher, ob er das Opfer wirklich gesehen hat, oder ob er die Situation dramatisiert. Er weiß nicht, ob die Geräusche, die er hört, Hilfeschreie oder Tierrufe aus dem benachbarten Wald sind. Je unsicherer der potenzielle Helfer ist, ob tatsächlich etwas passiert ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er eingreift. Die größte Chance, dass ihm geholfen wird, hat ein Opfer, wenn der Bystander das Opfer sieht und es als solches erkennt. Die größte Wahrscheinlichkeit zu helfen besteht also, wenn der Zuschauer auf mehreren Sinneskanälen über Informationen zur Situation verfügt.
    Auch Zeit und Ort bestimmen darüber, ob ich helfe. Ist es einsam, dunkel oder dämmerig, könnte die Situation auch für mich als Helfer gefährlich werden. Kenne ich mich hingegen in der Umgebung aus, ist die Hilfsbereitschaft größer als in der Fremde. Weil ich jeden Baum und Strauch kenne, gibt es weniger Außenreize, die vom Geschehen ablenken. Ungewöhnliches fällt mir deshalb eher ins Auge. Außerdem ist entscheidend, wie nahe ich dem Opfer bin. Kommt es zum Beispiel auf dem Fahrradweg zu einem Zusammenstoß, helfe ich als Fußgänger, sofern ich in direkter Nähe bin. Fahre ich an derselben Unfallstelle mit dem Auto vorbei, ist es unwahrscheinlicher, dass ich anhalte und aussteige.
    Wie im normalen Alltag entscheidet auch die Erscheinung eines Opfers darüber, ob ich mich als Helfer auf es einlasse oder nicht. So bin ich eher gewillt, einer gut aussehenden Person beizustehen als einer hässlichen oder verwahrlosten. Menschen der gleichen ethnischen Zugehörigkeit helfen sich eher, genauso wie Frauen eher Frauen helfen. Hier spielen offenbar sogenannte Ähnlichkeitseffekte eine Rolle. Aber auch Männer eilen eher Frauen zu Hilfe. Der Grund dafür? Wahrscheinlich das traditionelle Rollenverhalten, nach dem Frauen als schutzbedürftiger gelten. Wenig Chance auf Unterstützung hat derjenige, der sich selbst helfen kann. Wer sich also nach einer Autopanne selbst am Auto zu schaffen macht, hat geringere Chancen, dass andere Autofahrer anhalten, als wenn er hilflos neben dem Auto steht. Auch Menschen, die wie zum Beispiel Betrunkene vermeintlich selbst schuld an ihrer Notlage sind, können seltener auf Hilfe hoffen als Menschen, die scheinbar unverschuldet in eine Notsituation geraten. Mehr oder weniger auf sich selbst gestellt sind zudem Pärchen. Hier ist die Hürde für den Zuschauer besonders groß sich einzumischen, denn » das ist deren Sache « .
    Je größer die Gefahr für mich als potenzieller Helfer ist, desto seltener leiste ich Hilfe: Ist der

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