Zombie-Lover
Bettzeit wiederkehrte, kamen auch die Schmerzen zurück. Lija nannte das von klein auf sein Bettchenweh. Die Eltern hatten einen eigenen Namen dafür, aber sie achteten darauf, ihn in Lijas Gegenwart niemals auszuspr e chen.
Daddy und Mommy versuchten, verständnisvoll und fürsorglich zu sein, aber bald waren sie an der Grenze ihrer Geduld angelangt. Manchmal lächelten sie nicht verständnisvoll, wenn sie ihm ein nasses, kühles Tuch auf die Stirn legten. Manchmal brummten sie ganz leise, wenn sie ihm die schmerzenden Glieder und den wehen Rücken massierten. Einmal befahlen sie ihm sogar, sich seinen kühlenden Lappen selber zu holen, sich ins Bett zu legen und en d lich einzuschlafen.
Der arme Lija! Nicht nur, dass er sich an jedem Abend schrec k lich fühlte, er hatte auch noch Ärger mit seiner Familie. Und doch wusste er nicht, was er tun sollte. Die Schmerzen ließen ihn nie zufrieden.
Eines Sommerabends, als Lija wie gewohnt verkündete, dass sein Bettchenweh ihn wieder plage, wurde Mommy ohne ersichtlichen Grund ärgerlich. »Ich hab diese Wehwehchen wirklich satt!«, schrie sie Lija an. »Jeden, aber auch jeden Abend das Gleiche! Dein Kopf tut weh oder dein Hals ist wund oder du hast Magenschmerzen oder was auch immer dir einfällt, nur um nicht schlafen gehen zu müssen!«
Das war eine ganz ungerechte Beschuldigung. »Ich mach das doch nicht absichtlich«, protestierte Lija mit leiser, trauriger Sti m me. »Ich habe wirklich Schmerzen. Ich kann doch nichts dafür, wenn ich nicht schlafen kann.«
»Ich verstehe das einfach nicht, Lija!«, fuhr Mommy fort. »Mir kommt es ein wenig zu praktisch vor, dass deine Schmerzen dich nur an einem hindern: am Zu-Bett-Gehen. Den ganzen Tag lang geht es dir gut, aber sobald du ins Bett sollst, wirst du krank.« Fast war es, als verdächtige sie ihn einer Schlechtigkeit. »Wie verwandelt bist du plötzlich, wie verzaubert – gerade noch gesund, in der nächsten Minute krank, und ich glaube, du…«
Mitten in ihrer Standpauke verstummte Mommy, setzte sich leise neben ihn auf Bett und sah ihn sehr nachdenklich an. Schweigend saßen sie beieinander, während sie nachdachte.
»Lija«, flüsterte Mommy zögernd, »ich glaube, du hast ein mag i sches Talent.«
»Ja?«, fragte er verwundert.
»Leider ist das Bettchenweh dein magisches Talent.«
»Aber wir sind doch in Mundanien!«, erinnerte er sie, als könnte irgendjemand diese schreckliche Tatsache auch nur einen Auge n blick lang vergessen. »Hier gibt es keine Magie.« Was natürlich das Problem war.
»Ein klein bisschen schon«, erinnerte sie ihn wiederum. »Denk nur an den schönen Regenbogen, der sich nie von dir einholen lässt. Du musst irgendwie hässliche Magie abbekommen haben.«
Das leuchtete Lija ein, aber zufrieden war er damit nicht. »Das ist nicht fair!«, rief er wütend. »Da bin ich das einzige Kind außerhalb von Xanth mit einem magischen Talent, und ich bekomme so was Doofes! Jetzt habe ich das Bettchenweh für immer, außer ich kann es irgendwie loswerden.«
»Das fürchte ich auch«, sagte Mommy. »Glaub mir, ich bin da r über genauso böse wie du.« Das schien sie ganz ernst zu meinen.
»Was machen denn die Leute in Xanth, wenn sie ein doofes m a gisches Talent haben und es loswerden wollen?«
»Sie ziehen nach Mundanien, und ihre Magie verschwindet.«
»Na klasse! Ich wohne jetzt schon in New Jersey! Nirgendwo auf der ganzen Welt ist es mundanischer als in New Jersey! Was soll ich denn tun? Etwa nach Xanth ziehen?«
»Nein!«, rief Mommy besorgt. »Wenn dein Talent schon im mundanischen New Jersey so schlimm ist, dann überleg doch nur, wie es dir damit im magischen Land Xanth ergeht!«
Die Familie bemühte sich herauszufinden, wie Lija zu seinem unerwünschten magischen Talent gekommen war. Lija vermutete, dass eine Fehllieferung durch einen völlig verwirrten, überarbeit e ten und orientierungsbehinderten Talentstorch die Ursache sei. Seine Schwester Rachel verteidigte den Storch, indem sie sagte, dass er das Talent schon richtig ausgebracht habe; nur Lija sei zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Daddy vermutete, dass ein unerwünschtes Talent nach Mundanien entkommen sei, als die Dämonen die unerwünschten Talente abschafften. Mommy mei n te, dass vielleicht ein großer Riese, der gerade an der xanthisch-mundanischen Grenze entlangging, plötzlich einen Niesanfall g e habt hätte. Der arme Kerl habe so heftig niesen müssen, dass sein Talent hinausflog und über die
Weitere Kostenlose Bücher