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Zombieparade: Storys (German Edition)

Zombieparade: Storys (German Edition)

Titel: Zombieparade: Storys (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks
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einer Infektion gestorben bin, wie so viele andere.
    Es war ein brutales, anstrengendes Leben. Wir wussten, mit jedem Tag kamen die Horden aus dem Süden näher, jede Sekunde Verzögerung könnte die gesamten Anstrengungen zunichtemachen. Wir schliefen, wenn wir denn schliefen, wo wir arbeiteten. Wir aßen, wo wir arbeiteten, pissten und schissen, wo wir arbeiteten. Kinder – die »Nachtsanitärbrigade«  –
kamen mit einem Eimer herbeigeeilt und warteten, bis wir unser Geschäft erledigt hatten, oder transportierten unsere früheren Ausscheidungen ab. Wir arbeiteten wie die Tiere, lebten wie die Tiere. In meinen Träumen sehe ich tausend Gesichter, die Menschen, mit denen ich arbeitete, die ich aber nie kennenlernte. Wir hatten keine Zeit für gesellschaftlichen Umgang. Wir verständigten uns weitgehend mit Handbewegungen und Grunzlauten. In meinen Träumen versuche ich, Zeit für ein Gespräch mit den Leuten neben mir zu finden, sie nach ihren Namen, ihren Erlebnissen zu fragen. Ich habe gehört, dass Träume nur in Schwarz-Weiß sind. Vielleicht stimmt das, vielleicht kommt die Erinnerung an Farben erst später, die dünnen Strähnen eines Mädchens, das sein Haar einst grün gefärbt hatte, der dreckige rosa Frauenbademantel, den ein gebrechlicher alter Mann über einem Seidenpyjama trug. Ich sehe ihre Gesichter fast jede Nacht, nur die Gesichter der Gefallenen.
    So viele starben. Jemand, der an deiner Seite arbeitete, setzte sich einen Moment hin, nur eine Sekunde, um durchzuatmen, und stand nie wieder auf. Wir hatten eine medizinische Abteilung, könnte man sagen, Träger mit Bahren. Die konnten so gut wie gar nichts tun, außer die Leute zur Krankenstation zu
bringen. Meistens schafften sie es nicht. Jeden Tag trage ich ihr Leid und meine Schande im Herzen.
    Ihre Schande?
    Wenn sie sich setzten oder einem zu Füßen lagen … wusste man, dass man nicht mit der Arbeit aufhören konnte, nicht einmal, um ein klein wenig Mitgefühl zu zeigen, ein paar freundliche Worte zu sprechen, es ihnen wenigstens etwas bequem zu machen, während sie auf die Mediziner warteten. Man wusste, sie wollten nur eines, was wir alle wollten, nämlich Wasser. Wasser war kostbar in diesem Teil der Provinz; fast unser gesamter Vorrat wurde für die Herstellung von Mörtel und Beton verwendet. Wir bekamen nicht einmal eine halbe Tasse täglich. Ich trug meinen Vorrat in einer gebrauchten Plastikflasche um den Hals. Wir hatten strenge Anweisung, unseren Vorrat nicht mit den Kranken und Verletzten zu teilen. Wir brauchten es, um die eigene Arbeitskraft zu erhalten. Ich verstehe die Logik, aber wenn man mit ansehen musste, wie der geschundene Körper von jemand anderem zwischen Werkzeugen und Geröll lag, und wusste, das Barmherzigste unter der Sonne wäre ein winziger Schluck Wasser gewesen …
    Jedes Mal, wenn ich daran denke, jedes Mal, wenn ich meinen Durst stille, verspüre ich Schuldgefühle,
zumal ich mich, als meine Zeit zu sterben kam, zufällig in der Nähe der Krankenstation aufhielt. Ich hatte Dienst in der Glaserei und arbeitete in einer langen Menschenkette bei den Brennöfen. Seit knapp zwei Monaten gehörte ich diesem Projekt an; ich war am Verhungern, hatte Fieber und wog weniger als die Steine, die rechts und links an meiner Tragestange hingen. Als ich mich umdrehte, um die Steine weiterzugeben, stolperte ich und fiel aufs Gesicht; ich spürte meinen Schneidezahn brechen und schmeckte Blut. Ich schloss die Augen und dachte: »Meine Zeit ist gekommen.« Ich war bereit und wollte, dass es endete. Und wenn die Mediziner nicht vorbeigekommen wären, dann wäre mein Wunsch in Erfüllung gegangen.
    Drei Tage lang lebte ich in Schande; ruhte mich aus, wusch mich, trank so viel Wasser, wie ich wollte, während andere in jeder Sekunde an der Mauer leiden mussten. Die Ärzte sagten mir, dass ich noch ein paar Tage bleiben und meinem Körper bis zur vollständigen Genesung Ruhe gönnen sollte. Ich hätte ihren Rat beherzigt, wenn ich nicht in dem Moment den Ruf eines Wachpostens am Höhleneingang vernommen hätte.
    »Roter Alarm!«, rief er. »ROTER ALARM!«
    Grüner Alarm bedeutete einen aktiven Angriff,
roter Alarm bedeutete einen Angriff in überwältigender Zahl. Bis zu diesem Tag war ein roter Alarm etwas Ungewöhnliches gewesen. Ich hatte bis dahin nur einen erlebt, weit entfernt am nördlichen Rand von Shemnu. Jetzt wurde er mindestens einmal pro Woche gegeben. Ich raste aus der Höhle, rannte den ganzen Weg bis zu meinem

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