Zombieparade: Storys (German Edition)
diese Gleichung korrigieren können. Wir hätten sorgfältig und geschickt wählen und genau die richtige Anzahl an Verstärkung erzeugen können, ohne das empfindliche Gleichgewicht zwischen Rudel und Herde zu stören. Es wäre
möglich gewesen, eine Streitmacht zu bilden, die groß genug war, die malaiische Halbinsel und dann Südostasien zu befreien, und danach, wer weiß? Wir hätten den Menschen vielleicht genau den Freiraum verschaffen können, den sie brauchten, und genügend Zeit, damit sie ihre Kräfte sammeln und den Planeten ohne unser weiteres Zutun reinigen konnten. Wir sahen diese Möglichkeit klar vor Augen, und dennoch dachte nicht einer von uns jemals daran, sie zu ergreifen.
Auch eine Änderung unserer zweiten Maxime kam nicht in Frage: direkter, unverhohlener Kontakt mit der Menschheit. Wie bei der Rekrutierung wurzelte auch die Anonymität tief in dem logischen Wunsch zu überleben. Wie könnten wir als Raubtiere uns unserer Beute zu erkennen geben? Sollten wir das Schicksal des Säbelzahntigers, des Kurznasenbären und einer ganzen Anzahl weiterer Raubtiere teilen, die sich einst an menschlichen Knochen gütlich getan hatten? Während der gesamten Menschheitsgeschichte blieb unsere Existenz auf Mythen und Spukgeschichten für Kinder beschränkt. Und auch jetzt noch, mitten im beiderseitigen Kampf um unsere Existenz, bemühten wir uns, unsere Anstrengungen vor den Sonnenbrütern geheim zu halten.
Was, wenn wir das Versteckspiel sein ließen und
uns unseren ahnungslosen Verbündeten zu erkennen gäben? Eine rückhaltlose Offenbarung wäre ja gar nicht nötig gewesen. Wir hätten die unwissenden Massen ignorieren und uns nur an einige wenige wenden können. Wenn nicht an die Regierung Malaysias, dann vielleicht an eine der anderen, die in der gesamten Region »im Exil« operierten. Es müssen noch weitere sichere Zonen rings um unsere existiert haben, mit Anführern der Menschen, die bereit wären, zu einer gegenseitigen Übereinkunft zu kommen. Wir hätten nicht viel verlangt, nur das Recht, weiterhin wie bisher zu jagen. Die Führer des Homo sapiens waren noch nie davor zurückgeschreckt, das eigene Volk zu opfern. Vielleicht hätten wir sogar über klare Grenzen verhandeln können, und dass wir uns nur von bestimmten Flüchtlingen ernährten, die in dem Mahlstrom alles verloren hatten. Wer hätte um sie getrauert oder ihr Dahinscheiden auch nur bemerkt? Möglicherweise hätten sich besonders Hellsichtige sogar freiwillig geopfert. Sich selbst zu opfern, auch das war für die Sonnenbrüter nichts Neues. Manche wären vielleicht sogar stolz darauf gewesen, ihr Blut buchstäblich für den Erhalt der menschlichen Rasse zu vergießen. Wäre das zum Wohle aller wirklich ein so großes Opfer gewesen? Doch wie bei der Rekrutierung ist mir kein einziger
Fall zu Ohren gekommen, dass dieses sankrosankte Gesetz je gebrochen worden wäre. Ein bitterer Trost, dass Feigheit nicht nur ein wunder Punkt unserer Art ist. In meinem kurzen Leben habe ich so viele Herzen gesehen, des Tages wie der Nacht, denen schlichtweg der Mut fehlte, ihre Überzeugungen in Frage zu stellen. Heute zähle auch ich mich zu den Schuldigen, die den sicheren Untergang anstelle der vagen Möglichkeit eines »Warum nicht?« wählten.
Ich schlief traumlos an dem Tag, als Perai fiel. Es handelte sich um das größte Flüchtlingslager in der Sicherheitszone Penang, darum hatten sich einige von uns direkt gegenüber auf der anderen Seite des Flusses niedergelassen, in Butterworth. In der Sicherheitszone auf dem Festland konnte man sich nach wie vor einigermaßen einfach ernähren, im Gegensatz zur Insel Penang, wo die Regierung das Kriegsrecht durchzusetzen wusste. In Perais scharlachroter Quelle stärkten wir uns allabendlich für den Kampf. Darüber hinaus befand sich dort die letzte Fabrik zur Herstellung von Munition.
Als es zu der Explosion kam, lag ich nach dem bislang erbittertsten Kampf im Tiefschlaf. Drei Dutzend von uns hatten sich heimlich über die Schutzmauer der Tagbrüter entlang des schmalen Flusses Juru geschlichen und eine Horde angegriffen, die
sich von Tok Panjang näherte. Erschöpft und entmutigt kehrten wir zurück: Wir hatten ihr unerbittliches Vorrücken gegen die Menschen kaum aufhalten können. Aus der Wohnung mit ihren dünnen Wänden, die wir für uns requiriert hatten, hörten wir ihr kollektives Stöhnen in der morgendlichen Brise.
»Morgen Nacht wird es anders«, versicherte mir Laila. »Die Sonnenbrüter
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