Zombieparade: Storys (German Edition)
doch mal nach! Es existieren immer noch hunderte Schiffe, auf denen sich tausende Sonnenbrüter befinden. Wir müssen nur eines dieser Schiffe mit Gewalt erobern. Dann fahren wir mit unserem Vieh zu einer abgelegenen Insel. Davon gibt es Millionen in der Nähe. Wir müssen nur eine finden, die groß genug ist, dass wir eine Sonnenbrüterfarm errichten können! Auf manchen Inseln existieren vielleicht sogar schon Farmen! Na ja, die Sonnenbrüter sehen sie vermutlich nicht als Farmen, sondern als Zufluchtsstätte. Aber warte nur, bis wir dort eintreffen! Eine Nacht der Gewalt, gerade ausreichend, um die Alphatiere in der Herde auszuschalten. Der Rest wird fügsam sein. Die haben so viel durchgemacht, dass wir wohl kaum mit Gegenwehr rechnen müssen! Wir fangen an, Sonnenbrüter zu züchten! Die Unruhestifter sortieren
wir aus, die Fügsamen mästen und unterwerfen wir. Im Lauf der Zeit können wir ihnen vielleicht sogar einen Großteil ihrer Intelligenz wegzüchten. Und wir haben alle Zeit der Welt! Die Subtoten währen nicht ewig, du siehst ja, wie sie jetzt schon verwesen, hm? Hm? Wie lange können die durchhalten, ein paar Jahre, ein paar Jahrzehnte? Wir sitzen es einfach aus, bleiben sicher auf unserer Koralleninsel mit unserem eigenen Blutvorrat … oder besser, noch besser … wir gehen nach Borneo oder Neuguinea! Da draußen muss es noch irgendwo Stämme der Menschen geben, die von diesem Holocaust unberührt geblieben sind! Wir könnten ihre Herrscher, ihre Götter werden! Wir müssten sie nicht versorgen, nicht schlachten, das machen die von sich aus, und alles aus Liebe zu ihren neuen Göttern! Wir schaffen das! Wirst schon sehen! Wir können und WERDEN das schaffen!«
In dem Moment glaubte ich wirklich alles, was ich da von mir gab. Es war unerheblich, wie wir ein Schiff oder eine Insel finden und erobern sollten. Es war unerheblich, wie wir diese mystische »Herde« von Sonnenbrütern gefangen nehmen und bei Gesundheit halten oder ernähren wollten. Die Option Borneo/Neuguinea war mir gerade spontan eingefallen, doch diese Details kamen mir noch trivialer
vor als die Massenhaltung von Menschen. Wichtig war nur, wie sehr ich an mich selbst glauben wollte und wie sehr ich mir wünschte, dass Laila an mich glaubte.
Mir hätte ihr Lächeln auffallen müssen, das so sehr dem von Nguyen glich. Ich hätte sie in diesem Moment festhalten müssen, mit Stahl und Beton oder selbst mit meinem eigenen Körper. An diesem Tag hätte ich nie und nimmer schlafen dürfen. Und mich hätte nicht überraschen sollen, was ich am nächsten Abend fand. Laila, meine Schwester, meine Freundin, mein starker, bildschöner, ewiger Nachthimmel. Wie lange war es her, dass wir Kinder schlagender Herzen gewesen waren und unter dem Licht und der Wärme der Nachmittagssonne spielten? Wie lange, seit ich ihr in die Dunkelheit gefolgt war? Wie lange noch, bis ich ihr ins Licht folgen würde?
Die Nächte sind jetzt still. Die Schreie sind längst verstummt, die Feuer erloschen. Die Subtoten sind allgegenwärtig und schlurfen ziellos herum, so weit das Auge reicht. Fast drei Wochen sind vergangen, seit ich den letzten lebenden Menschen in der Stadt gejagt habe, fast vier Monate, seit meine geliebte Laila zu Asche wurde. Der Plan einer Farm, den ich geschmiedet habe, hat zumindest teilweise Früchte getragen. Nach wie vor existieren einige Sonnenbrüter
auf Schiffen, die in der Nähe vor Anker liegen, ernähren sich von Fisch und Regenwasser und hoffen teilweise immer noch auf eine baldige Rettung. Ich nähre mich zwar so wenig wie möglich, dennoch schwindet ihre Zahl kontinuierlich. Ich gehe davon aus, dass ich in wenigen Monaten den Letzten von ihnen ausgesaugt haben werde. Selbst wenn ich über das Wissen oder die Mittel verfügen würde, meinen Plan der Domestizierung in die Tat umzusetzen, sind nicht mehr genug von ihnen übrig, um eine brauchbare Herde zu bilden. Nackte Tatsachen können grausam sein, und wie Nguyen einmal sagte: »Ich habe Berechnungen angestellt.«
Vielleicht haben einige meiner Art ähnliche »Zuchtprogramme« entwickelt. Vielleicht ist einigen sogar Erfolg beschieden gewesen. Die Welt ist mit einem Mal sehr, sehr groß geworden, und jenseits ihrer unermesslichen Horizonte gibt es immer wieder Möglichkeiten genug. Ich denke, ich könnte mich mit einem oder zwei gefesselten Sonnenbrütern unter den Armen auf die Suche nach so einer Kolonie von Überlebenden machen. Vielleicht fände ich eine Möglichkeit, sie für
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