Zombieparade: Storys (German Edition)
haben noch den Juru als natürliche Verteidigung, und jeden Tag ziehen sie die Mauer ein Stück höher.« Ich war nicht sicher, ob ich ihr glauben sollte, war jedoch zu erschöpft, mich zu streiten. Wir sanken einander in die Arme, während die Dämmerung über der anrückenden Bedrohung heraufzog.
Ich erwachte mitten in der Luft, als die Druckwelle einer Explosion mich gegen die Wand des Schlafzimmers schleuderte. Eine halbe Sekunde später fühlte ich mich, als würden plötzlich hunderte glühend heißer Lötkolben auf meine Haut gedrückt. Die Detonation hatte die Fensterscheiben zertrümmert und die dunklen Rollos zerfetzt. Blind vom reflektierten Tageslicht und mit qualvollen Schmerzen von den rauchenden Verletzungen rollte ich mich auf den Boden ab und tastete panisch nach Laila. Sie fand mich zuerst, schlang die Arme um meine Taille und hob mich auf ihre Schulter. »Nicht wehren!«,
rief sie und warf mir einen Mantel über den Kopf. Ein Sprung, das Splittern von Glas, dann landeten wir sechs Stockwerke tiefer auf Beton. Laila rannte blitzschnell los, und ihre Schritte hallten auf einem Meer von Scherben. »Was …«, brachte ich krächzend heraus.
»Die Fabriken!«, antwortete Laila. »Ein Feuer … ein Unfall … sie sind hier! Sie sind überall!«
Ich roch ihr brennendes Fleisch. Wie viel ihres Körpers war dem Sonnenlicht preisgegeben? Wie viel Zeit blieb ihr noch, bevor sie in Flammen aufging? Die drei Sekunden, bis ich ihren nächsten Sprung spürte, kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Lailas Griff wurde unvermittelt schwächer, als eine kalte, starke Strömung uns trennte.
Der Mantel trieb von meinem Gesicht weg. Aus einer kleinen, sengenden Wunde wurde eine einzige kochende Qual. Ich sah, dass Laila in die Meerenge von Malakka gesprungen war und uns in den Schatten unter vor Anker liegenden Schiffen bringen wollte. Es waren inzwischen sehr viele, da die Treibstofftanks leer waren; auf den Decks drängten sich Flüchtlinge. Von unten sahen sie für uns aus wie Wolken für die Sonnenbrüter. Wir fanden eine geeignete Stelle unter dem Halbdunkel eines Öltankers. Ironischerweise lag er über dem Wrack
eines gesunkenen Luxusliners. Wir setzten uns mit dem Rücken gegen die aufgeplatzte Hülle und waren zu geschockt und erschöpft, um uns zu bewegen. Erst als die Bewegungen der Schatten uns zwangen, die Positionen zu ändern, bemerkte ich das ganze Ausmaß von Lailas Verletzungen.
Ihr Körper sah fast vollständig wie gegrillt aus. Wie oft hatte ich sie davor gewarnt, nackt zu schlafen! Ich betrachtete die Maske des Grauens, die einmal ihr Gesicht gewesen war, die winzigen, verkohlten Partikel, die wie Dunst von den nackten, weißen Knochen aufstiegen. Immer war sie so eitel gewesen, so besessen von ihrer makellosen Schönheit. Darum hatte sie uns vor so vielen Jahrhunderten verwandelt. Ihr schlimmster Albtraum war, dass sie ihr Aussehen verlieren könnte. Ich war so dankbar dafür, dass das Meerwasser meine Tränen verbarg. Ich setzte ein gezwungenes, tapferes Lächeln auf und legte einen Arm um ihre Schulter, die der eines Skeletts glich. Während ihr schlotternder Körper in meiner Umarmung lag, zeigte sie mit einem schwarzen, verkohlten Arm in Richtung des Strands von Penai.
Die Subtoten kamen aus dem Nebel, den aufgewirbelter Schlick hervorrief. Natürlich nahmen sie uns nicht zur Kenntnis und stapften unbeirrt an uns vorbei. Die Insel Penang, die letzte Zuflucht der
Menschen, war ihr einziges Ziel. Wir betrachteten sie stumm und waren zu kraftlos, ihnen auch nur auszuweichen. Einer kam uns nahe genug, dass er über mein ausgestrecktes Bein stolperte. Als er in Zeitlupe fiel, streckte ich den Arm aus und fing ihn auf. Ich weiß nicht, warum ich das tat, so wenig wie Laila. Sie sah mich fragend an, und ich zuckte gleichermaßen verwirrt mit den Schultern. Sie verzog die verbrannten, rissigen Überreste ihrer Lippen zu einem Lächeln, wobei die Unterlippe aufplatzte. Ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt. Ich erwiderte das Lächeln und drückte sie an mich. Wir blieben reglos sitzen und betrachteten den Tross der Kadaver, bis die Oberfläche des Ozeans erst blau, dann orange, dann lila und zuletzt endlich schwarz wurde.
Mehrere Stunden nach Sonnenuntergang kamen wir an Land und mitten in eine erbitterte Schlacht hinein. Jetzt musste ich Laila tragen. Kraftlos und zitternd klammerte sie sich an meinem Nacken fest, als wir an den Scharmützeln am Strand entlangliefen. Ich fand einen tiefen,
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