Zone One: Roman (German Edition)
Einrichtung sie hervorgegangen waren und was für andere Apparate in den benachbarten Forschungs- und Entwicklungslabors entstanden. Soweit Mark Spitz es feststellen konnte, hatten sich die technischen Neuerungen seit dem Ausbruch der Seuche auf zwei bedeutende Erfindungen und eine unbedeutende beschränkt. Die neuartige Aramidwunderfaser ihrer Kampfanzüge und ihrer Ausrüstung war eine bedeutende; Garys Lasso rangierte am anderen Ende der Nützlichkeitsskala. Es hieß, die wichtigsten Köpfe hinter dem Gewebe hätten schon vor der Seuche die Panzerwestenpatente eines großen Waffenfabrikanten verletzt, und die Herstellung des Wunderkleidungsstücks sei ihnen gerichtlich untersagt worden. Die Erfordernisse des Wiederaufbaus jedoch machten sämtliche juristischen Argumente hinfällig: die Fabrik der einen Firma lag in einer befreiten Zone, die der anderen nicht. Sowie der Weltuntergang abgewendet war, würde man alle offenen Fragen klären.
Der Coakley war der andere Haupttreffer. Obwohl nach seinem Erfinder benannt, war er vom Zündschalter bis zum Wärmesensor ein staatliches Produkt. Der Verbrennungsofen war umgebaut worden, um mobil einsetzbar zu sein, und die Heckladevorrichtung war offenbar erst kürzlich hinzugekommen – das Rohmetall stand in grobem Gegensatz zum silbern schimmernden Gehäuse –, aber sein ursprünglicher Zweck blieb bestehen. Er verbrannte Dinge. Hier verbrannte er mit unheimlicher Effizienz die Körper der Toten, verschlang, womit die Soldaten ihn fütterten, und verwandelte es in Rauch, Flugasche und eine Schaufel voll festes Material, das zu hartnäckig war, um vollständig verzehrt zu werden. Herzen, hauptsächlich. Dieser dicke Muskel. Der Zweck der Maschine war klar; warum man sie erfunden und welchen Einsatz man vor der Seuche dafür vorgesehen hatte, war ein Rätsel. Wie auch immer, der Coakley hatte sich als höchst wertvoller Rekrut erwiesen. Allein schon die Benzineinsparungen.
Mark Spitz hatte die Leute von der Entsorgung nie ohne ihre Schutzanzüge gesehen, doch nun erkannte er Annie und Lily an ihren Stimmen und an ihrem Gang. Sie waren mit einer Verbrennung beschäftigt, aus dem Schornstein auf dem Brennofen schoss der Geysir aus weißem Rauch und Asche. Der Schornstein reichte drei Stockwerke hoch, und von dort verteilten die Canyonwirbel die Teilchen. Man konnte nicht sagen, dass die anderen in der Zone die Art und Weise teilten, wie Mark Spitz die Asche wahrnahm, ihre Beständigkeit und ihren alles beherrschenden Charakter. Sie verwirbelte nämlich in einem bestimmten Radius um die Öfen, sie legte sich wie Schuppen auf ihre Schultern, und ja, vielleicht wurde ein geringer Prozentsatz auf dem Weg nach unten vom Regen gebunden. Bestimmt wehten die von den Hochhäusern erzeugten Abwinde und Turbulenzen und die von den kleineren Gebäuden hervorgerufenen Saugströme und Zephire die Flöckchen in heftigen Stößen durch Downtown. Bestimmt erzeugte die Maschine, wenn sie arbeitete, eine lokal begrenzte Atmosphäre. Aber die Asche verhüllte die Metropole nicht, sie verschmutzte nicht in übelkeiterregendem Maße die Luft. Ein Skel-Scheiterhaufen oder eine Benzinparty setzte wahrscheinlich mehr Schadstoffe frei. Aber für Mark Spitz war sie überall. Sie war in jedem Regentropfen auf seiner Haut und auf dem Pflaster, beschmutzte jedes Gebäude und trübte den blauen Himmel: der Staub der Toten. Sie war in seiner Lunge, wurde von seinem Körper aufgenommen, und er hasste sie.
Er behielt sie für sich, diese spezielle Facette seiner PABS , obwohl er sich von Zeit zu Zeit verplapperte. Es war, was dergleichen Erscheinungen anging, eine Halluzination niedriger Stufe, keine richtige Behinderung. Nicht nötig, etwas davon zu sagen, wenngleich ihn doch beunruhigte, dass seine Symptome sich größtenteils erst nach seiner Rettung in Northampton gezeigt hatten und seither auch häufiger auftraten. Seine neue Sorte von Skel-Traum, seine Übelkeitsgefühle bei der Identifizierung, die phantastischen Vorstellungen von Asche. In den verlorenen Tagen war er gesünder gewesen, hatte weniger Macken gehabt. Jetzt packte ihn am Rand der Mauer ein Schwindelgefühl. Wo war er? Er sagte sich: Ich bin in New York, ich bin in New York in der Straße, wo ich damals billige Kopfhörer gekauft habe. Er schaute an der dröhnenden, rülpsenden Maschine vorbei auf die Richtungsschilder, die die Fahrer zu dem nach New Jersey führenden Schleusenkanal geleitet hatten. Diese Straßen waren so befahren, so
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