Zone One: Roman (German Edition)
darauf, genau in Garys Fußstapfen zu treten. Das ging ihm auf die Nerven. »Es bringt mir Glück«, sagte sie zu ihm, als er sich beschwerte. Er sagte ihr, sie solle Abstand halten. Sie tat es nicht. Der Lieutenant bildete die Nachhut, trödelte aus irgendeinem Grund, versuchte dahinterzukommen, welches Detail ihm entgangen war.
»Was kommt als Nächstes?«, fragte Gary.
Die alte World-Trade-Center-Station, dachte Mark Spitz. Das war zwar lange her, aber er erinnerte sich noch.
Die Schüsse von Gammas Sturmgewehren dröhnten wie auf glatten Stahlrädern durch den Tunnel. Mark Spitz schaute uptown und downtown, um festzustellen, woher das Gewehrfeuer kam, befand sich wieder auf einem Bahnsteig in der alten Zeit und versuchte herauszuhören, ob der sich nähernde Zug seiner oder der auf dem Gleis gegenüber war. Sie rannten zur Chambers zurück. Ihre Nachtsicht atomisierte die Träger und Streben zu Körnern und schwachen Pixeln, die aus Schatten heraustraten und wieder darin eintauchten. Mit jedem Schritt löste sich die Welt in Dunkelheit auf und bildete sich aus ihr neu, und das Trommelfeuer ging weiter. Drei feuernde Waffen, Gebrüll, dann eine weniger dichte Salve. Eine Waffe zum Schweigen gebracht. Der Lieutenant brüllte vernünftige Gefechtsregeln, die Mark Spitz jedoch angesichts des Lärms der Schüsse und des Militärjargons schwer verständlich fand. Er verließ sich auf seine Standardübersetzung von Chaos, die ihm bisher gute Dienste geleistet hatte.
Als Omega zu der Stelle gelangte, wo die Downtown-Gleise sich trafen, und zwischen die Pfeiler in Richtung Express sprang, waren die Schüsse verstummt. Der Lieutenant fluchte. Ein Mann kreischte auf, dann erstickten seine Schreie in einem feuchten Gurgeln. Sie erkannten die Geräusche, mit denen Menschen gefressen wurden. Inzwischen brannten Gammas Taschenlampen, ihr Widerschein drang hinter der Biegung des Tunnels hervor, als näherte sich die erste Bahn der wiedergeborenen Metropole der Station. Der Lieutenant ging voraus. Die Lichter zuckten. Die Schreie erstickten. Der Lieutenant bedeutete ihnen, langsamer zu gehen, während im Schein der Taschenlampen, immer wieder teilweise von Dunkelheit verschluckt, die kauernden Skels auftauchten, von der Unterwelt so verdreckt, dass sie beim Fressen wie von Blut glänzende Wasserspeier anmuteten.
»Kopf runter!« Der Lieutenant brauchte Gamma nicht daran zu erinnern, denn dass sie, auf den Gleisen liegend und unter Monstern begraben, vom Beschuss der eigenen Seite getroffen wurden, war eher unwahrscheinlich. Die in den Schädeln der Skels zerplatzenden Kugeln unterbrachen das Gelage. Eines schaute Mark Spitz in die Augen, das Gesicht mit Blut dekoriert, und fuhr dann damit fort, Trevor zu fressen. Andere Tote am Rand des Fressgetümmels interessierten sich eher für die Aussicht auf ein breiteres Menü und wankten, zwischen den Gleisen stolpernd, unbeholfen auf Omega zu.
Die vier Überlebenden hatten vor, ihren Marsch durch die tote Welt fortzusetzen, wie sie es seit der Letzten Nacht getan hatten. Sie erledigten die Skels, überblendeten die Gesichter der Toten dabei mit ihren ganz unterschiedlichen Masken, um sicher sein zu können, wen und was sie da töteten.
Jeder von ihnen sah etwas anderes, während sie die Kreaturen niederschossen. Mark Spitz kannte Garys Einschätzung der Toten. Sie waren die anständigen Bürger, die ihn und seine Brüder sein Leben lang in die Klemme gebracht und verurteilt, sie von den Festlichkeiten ausgeschlossen hatten – die Klassenlehrer und stellvertretenden Schulleiter, die Nachbarn auf der anderen Straßenseite, die die Cops riefen, um sich über den Lärm und den Müll in ihrem Hof zu beschweren. Wo waren sie jetzt, ihre Regeln, ihre Urteile, ihr herablassendes Lächeln? Gary schoss mit Begeisterung auf die Vierecke ihrer Köpfe, durchlöcherte sie mehr als nötig, um seine Verachtung zu demonstrieren.
Für Kaitlyn kam diese Geißel aus einer anderen Bevölkerungsschicht. Kaitlyn zielte auf das Gesindel, das am Rand ihres Traums knabberte: die willensschwachen Raucher, Väter, die ihren Unterhaltspflichten nicht nachkamen, und Sozialhilfebetrüger, die alleinerziehenden, sich unentwegt fortpflanzenden Mütter, die Missachter von Geschwindigkeitsbeschränkungen und diejenigen, die sich ihre aberwitzigen Kreditkartenschulden selbst zuzuschreiben hatten. Diese hirnlosen Unmenschen zwischen Chambers und Park Place gingen nicht wählen und nahmen nicht an Elternabenden
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