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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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dass er ihren Nachwuchs vergewaltigen oder fressen wollte, sie bremsten ihn mit ihren Babyschritten oder sorgten dafür, dass er abgelenkt war, weil er über ihr erratisches Verhalten nachdachte. Sie waren schlimmer als die Banditen, die nur das Zeug wollten, das man dabeihatte, und es manchmal auch schafften, es einem abzunehmen, entweder gleich oder später, mit vorgehaltener Waffe, wenn sich die Gelegenheit bot, wenn man schlief oder pinkelte. Die Eltern waren gefährlich, weil sie es nicht auf die kostbaren Vorräte abgesehen hatten, die man dabeihatte. Sie hatten das Wertvollste schon, und es behinderte ihr logisches Denken.
    Er tat sich eine Zeitlang mit Fremden zusammen, handelte, wie es dem neuen Begrüßungsritual entsprach, ein schmutziges Glas Cranberry-Sauce oder ein Trinkpäckchen ein und tauschte Informationen über die großen Fragen des Tages, wie etwa Konzentrationen von Toten, und unbedeutende Angelegenheiten, wie etwa den Zustand der Welt, mit ihnen aus. Ein paar Monate nach dem Zusammenbruch fragten nur noch Schwachköpfe nach dem Staat, der Army, den vorgesehenen Rettungsstationen, all den unerreichbaren Inseln, und die Schwachköpfe nahmen mit jedem Tag ab. Er blieb mit ihnen zusammen, bis man sich für unterschiedliche Ziele entschied oder Krach über Skelverhaltenstheorien oder die Frage kriegte, woran man erkennen konnte, ob in einer eingedellten Konserve eine Lebensmittelvergiftung lauerte. Die Leute beschäftigten sich dieser Tage mit den merkwürdigsten Dingen. Er blieb mit ihnen zusammen, bis sie angegriffen wurden und starben und er nicht. Manchmal ging er fort, weil sie einfach zu viel quatschten.
    Er hörte auf, sich mit anderen Leuten zusammenzutun, sobald ihm klar wurde, dass er als erstes abzuschätzen versuchte, ob er ihnen davonlaufen konnte oder nicht.
    Nach Mim verzichtete Mark Spitz darauf, viel Glück zu wünschen oder der Hoffnung auf ein Wiedersehen Ausdruck zu verleihen. Er machte sich bei Tagesanbruch davon. Er hörte, wie seine zeitweiligen Gefährten vom leisen Geraschel seines Aufbruchs wach wurden, aber sie rührten sich nicht aus ihren schmuddeligen Schlafsäcken, sobald ihnen klar wurde, dass er ihnen nicht ihren Kram stehlen wollte, die Batterien und mobilen Festplatten voller Familienfotos. An Abschiedsreden lag ihnen auch nicht.
    An jenem Nachmittag in der Fulton fuhr Mark Spitz seine Willkommensroutinen herunter, nachdem sie die drei Gestalten auf der anderen Straßenseite identifiziert hatten. Es waren Menschen. Sie trugen Ponchos, und was sonst außer einem Wesen, das mit der Bürde des freien Willens geschlagen war, würde einen Poncho tragen? Die Toten trugen keine Ponchos. Gary rief Begrüßungen, gefolgt von gewinnenden Beiwörtern. Die Gruppe antwortete begeistert, indem sie den Refrain aus einem schmalzigen Stück über Inseln im Strom trällerten.
    Es war Einheit Bravo: Angela, No Mas und Carl. Angesichts des rätselhaften Musters, nach dem der Lieutenant Planquadrate zuteilte, kam es selten vor, dass Einheiten in der Zone über einander stolperten. Die zehn Sweepereinheiten bewegten sich im Zickzack durch Downtown wie Einheimische, die eine Aufgabenliste abarbeiten: zu dem Expresszustelldienst, damit die Bewerbung schneller ankam, dann rasch zur Reinigung und zu dem Käsespezialitätenladen, um das esoterische Stück zu holen, nachdem man die Gastgeberin dummerweise gefragt hatte, ob man irgendetwas mitbringen könne. Wenn sie einander über den Weg liefen, war das eine nette Abwechslung.
    Wie mit allen Leuten, denen sie begegneten, hatte Gary auch mit diesen schon gemeinsame Erlebnisse gehabt. Er hatte vor seiner Versetzung in die Zone mit allen dreien bei der Säuberung des unzumutbaren Connecticut gedient. Connecticut mit seiner unbegrenzten Zahl aussätziger Horden und seiner notorischen Gabe, neue Erscheinungsformen von Unglück zu prägen, das verwahrloste Connecticut mit seinen sternenlosen Nächten und ausgehungerten Morgen, das üble Connecticut brachte zerlumpte Banden hervor, die zusammenhielten. Im Vergleich dazu waren Mark Spitz und die wenigen Sweeper von anderswo Frischlinge, die ständig ihren ersten Tag im Dienst wiederholten. Ihm war besonders No Mas zuwider, der in Wonton mit seinem Sammelalbum von Irrläufer-Erniedrigungen angab. »Wen hast du denn diese Woche gesehen?«, stachelte ihn etwa ein Sweeper während der Ruhe- und Erholungszeit am Sonntagabend an, worauf No Mas pflichtschuldig über seine neuesten Faxen berichtete. Er

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