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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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Beinen.
    Er nahm die U-Bahn zum Pendlerzug, die Finger um die Haltestange gelegt, die noch warm war von dem Skel, das sie Augenblicke zuvor umklammert hatte. Auf den knapp über Augenhöhe angebrachten Werbeplakaten priesen retuschierte Köpfe von Toten Handelsschulen und Heilmittel an. Einige der Toten machten höflich Platz, andere dagegen drängten sich ziemlich grob in den Waggon, während er noch versuchte, auf den Bahnsteig zu kommen. Alle wollten unbedingt nach Hause. Auf dem Pendlerbahnsteig vergewisserte er sich, dass seine Monatskarte im entsprechenden Fach seiner Brieftasche steckte, und malte sich den bevorstehenden Abend aus. Sich was von seinem Lieblings-Lieferservice kommen lassen, ein Bier aufmachen und sich die Reality-Show ansehen, die er vor drei Tagen mit dem Festplattenrekorder aufgenommen hatte. Er wachte auf, als der Zug aus dem Tunnel ausfuhr und sie nicht mehr unter der Erde waren.
    Das einzig Beunruhigende an dem Traum war, dass er nie im Leben an einem Yogakurs teilgenommen hatte.
    Diese Serie entzog sich der Kategorie Albtraum. Er erwachte erfrischt oder zumindest in einen Normalzustand von Morgenfurcht erhoben, der monatelang stabil blieb. Die neue Sorte von Traumlandschaft ließ ihn merkwürdig gleichgültig. Die Toten machten Smalltalk, spekulierten über die morgige Kaltfront, karambolierten stumpf von Aufgabe zu Aufgabe, aber sie waren krank. Er entsann sich einer Traumtheorie von früher, die Träume zu Wunscherfüllungen erklärte, und einer anderen, derzufolge man jeder Mensch in seinen Träumen war; beide Theorien erschienen ihm gleichermaßen plausibel und akademisch, und letzten Ende verbrachte er nicht allzu viel Zeit mit Analysieren Er war dieser Tage sehr beschäftigt.
    Auf zum nächsten Planquadrat, und viel Erfolg. Seine Einheit drückte sich Eier-mit-Schinken-Paste auf die Zunge – bernsteinfarben, mit bräunlich-roten Wirbeln – und packte ihre Ausrüstung zusammen. Kaitlyn legte ihre Biographie auf die Fensterbank, als wollte sie sie dem nächsten Gast im sonnigen Urlaubsort schenken. Sie waren schon fast im Treppenhaus, als ihr der Bewegungsmelder einfiel. Sie ging ihn holen. Das passierte in letzter Zeit oft. Es war schön zu wissen, dass er da war, aber er hatte seit Beginn ihrer Tour kein einziges Mal Alarm geschlagen.
    Ihr neues Einsatzgebiet war das Quadrat zwischen Fulton und Gold, ein Wohn- und Gewerbegebiet, das ein paar Häuserblocks weiter östlich lag. Es fing als harmloses Geniesel an, aber Mark Spitz zog wegen der Asche seinen Poncho an, und die anderen folgten seinem Beispiel, als der Regen stärker wurde.
    Sie marschierten wortlos vorwärts, wurden erst im Gehen vollends wach. Kaitlyn pfiff »Stop! Kannst du den Schrei des Adlers hör’n?« (Titelsong aus Wiederaufbau ), jene unverwüstliche Phönie-Hymne, während sie durch die grauen Pfützen stampften. »Und wenn wir hinkommen«, fragte Gary schließlich, »und die sind alle umgekippt? Haben sich endlich eingefangen, was die ganzen Leichenfelder-Skels haben, und wir müssen sie von jetzt an einfach nur noch einsacken?« Er machte diese Bemerkung jedes Mal, wenn sie das Planquadrat wechselten.
    »Das wäre schön«, sagte Mark Spitz. Die Entdeckung der Leichenfelder in diesem Frühjahr beschleunigte den Beginn so mancher Wiederaufbau-Operation. Erste Informationen darüber kamen mit den neuen Überlebenden, die durch die Camp-Tore stolperten und ungewöhnliche Geschichten von Wiesen und kleinen Parkplätzen erzählten, die voll waren von umgefallenen Toten. Es war nicht so, dass jemand sie neutralisiert hatte und dann weggegangen war, ohne das Gelände zu desinfizieren – ihre Köpfe seien unversehrt, hieß es. Die Toten sahen so aus, als wären sie an Ort und Stelle umgefallen.
    Der Wiedereintritt in die Vorzimmer der Zivilisation war immer problematisch, und je länger die Überlebenden da draußen gewesen waren, desto schwieriger war es für sie zurückzukommen. Aber selbst nachdem die Flüchtlinge warm geduscht, zwölf Stunden am Stück wie ein Stein geschlafen und den Mais probiert hatten (alle waren stolz auf die Maisernte, und das völlig zu Recht), blieben sie bei ihren wilden Geschichten. Die Aufklärungseinheiten kamen von überall an der Küste mit Videos zurück, die sie bestätigten. An weit offenen Orten fielen die Toten massenweise um. Ein High-School-Footballplatz im fernen Raleigh höckerig von Leibern, ein öffentlicher Park in Trenton, wo schwarze Fliegen sich über das Festmahl

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