Zone One: Roman (German Edition)
alten Zeiten darauf, dass der Regen nachließ, Durchschnittsbürger bis auf die Sturmgewehre. Und die übrige Ausrüstung. Ein dicker Tropfen klatschte auf Mark Spitz’ Handrücken; er trug seine Handschuhe nicht. Graue Partikel kennzeichneten den Umriss auf seiner Haut. Der Regen reicherte sich auf dem Weg nach unten mit Asche an, und beim Blick auf die Straße stellte sich Mark Spitz die Tropfen als lange, graue, herabstürzende Schlieren vor. Über seinem Kopf wrangen Riesen schmutzige Spüllappen aus. »Sieh dir das an«, sagte er zu Gary. Er zeigte auf seine Haut.
Gary runzelte die Stirn. »Wir sehen nichts.«
Als Mark Spitz noch ein Kind war, hatte sich sein Vater seine Lieblings-Atomkriegsfilme mit ihm zusammen angesehen. Vater-Sohn-Verbundenheit an bedeckten Nachmittagen. Aufstrebende Stars mit unverbrauchten Gesichtern, die nie den ganz großen Durchbruch schafften, und Charakterdarsteller mit zerklüfteten Gesichtern marschierten durch die Säureregen-Geschichten und ascheverschmierten Landschaften, machten unermüdlich weiter, ohrfeigten hysterische Kameraden – reiß dich zusammen, wir werden es schaffen – und fielen einer nach dem anderen, während sie den Gerüchten von einem Zufluchtsort nachjagten. Er fragte: »Was bedeutet ›Apokalypse‹, Daddy?«, und sein Vater drückte auf Pause und sagte zu ihm: »Das bedeutet, dass in der Zukunft alles noch schlimmer sein wird als jetzt.«
Auf dem College glitt Mark Spitz gewohnt mühelos durch eine Pflichtveranstaltung über den Kalten Krieg. Sie hatten sich darauf festgelegt, dass ihr jüngster Tag Atome spalten würde. Sie waren blind für den Vernichtungsplan der Seuche, aber sie hatten die Asche gesehen. Das alles beherrschende, unerbittliche Grau war eine lokal begrenzte atmosphärische Anomalie und nicht das, woran Buffalo bei der Erfindung seines Amerikanischen Phönix gedacht hatte, aber es passte. Auferstanden aus der Asche, wiedergeboren.
Carl hielt inne. Die anderen drehten sich um. Einer der Toten kam die Avenue entlang. Es war ein seltsamer Anblick nach so langer Zeit, draußen im Freien. Auf ihren Straßen. Mark Spitz hatte seit seiner Ankunft nur ein anderes freilaufendes Skel gesehen. Dieses hier war der Säuberungsaktion der Marines irgendwie entgangen und hatte sich schließlich aus irgendeiner schäbigen Zelle befreit, dem Raum in der Kegelbahn, wo man die nicht mehr ganz taufrischen Schuhe aufbewahrte, oder dem Keller des Souflaki-Ladens. Von ihrer Streiterei aufmerksam geworden, hatte das Skel sie erspäht und schwenkte nun von der Mitte der Fahrbahn ab, schob sich zwischen zwei Kompaktwagen ausländischen Fabrikats hindurch und gelangte langsam auf den Bürgersteig. Es ging durch den Regen, wie niemand bei einem solchen Wolkenbruch durch den Regen ging, ohne Frösteln oder Stirnrunzeln, während das Wasser ihm an Kopf und Schultern zu einem Sprühnebel wie ein Mückenschwarm zerstäubte. Es näherte sich ihnen unerbittlich und sicher, mit dem gewohnten, entschlossenen Schritt.
Das Skel trug einen trostlosen, stark verschmutzten Nadelstreifenanzug, eine gediegene rote Krawatte und dunkelbraune Quastenslipper. Ein Opfer, dachte Mark Spitz. Es war kein Skel mehr, sondern eine Version von etwas, das den Qualen vorausgegangen war. Jetzt war es einer dieser entlassenen oder pleitegegangenen Geschäftsleute, die um der Familie willen so tun, als gingen sie ins Büro, und den ganzen Tag auf einer kaputten Parkbank verbringen, um die Tauben mit Bagel zu füttern, die Aktentasche voller leerer Kartoffelchips-Tüten und Prospekte von Massagesalons. Die Stadt hatte schon lange an ihrer eigenen Seuche gelitten. Ihre Infektion hatte diese Kreatur in einen Verlierer von einst verwandelt, in einen aus der Schar der Abgebrannten und Getäuschten, der Ausgeschlossenen, der eingefleischten Pechvögel. Sie wankten aus Einzimmerwohnungen oder schälten sich vom Ausziehsofa ihres armen Verwandten und stolperten zu elenden Abenteuern ins Tageslicht hinaus. Er hatte sie in ihrem Weh langsam die Bürgersteige entlanggehen, sich zwischen zwei Inspektionen des Gesundheitsamts in dem Imbiss an der Ecke an einer Tasse Kaffee mit zuviel Milch festhalten sehen. Diese Kreatur vor ihm war der Mann im Bus, neben dem niemand sitzen wollte, der abgezehrte Mystiker, der im überfüllten Subwaywaggon Verdikte kreischte, das Wesen, von dem die Neuankömmlinge schworen, dass sie nie dazu werden würden, aber einige wurden es dann natürlich doch. Es war eine Frage von
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