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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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stellten das Gleis her, trieben die Strecke Kilometer um Kilometer voran.
    Auf den Freeways wurde Mark Spitz zum Präzisionsschützen. Begünstigt von einer Absicherung, einer Visierlinie und dem Luxus, in aller Ruhe auf irgendeine sich langsam nähernde Kreatur anlegen zu können, meisterte er die fünf Zielpunkte am Schädel, die Buffalo zum Skel-Töten bevorzugt empfahl. (Sie hatten Tests gemacht, mündliche Aussagen gesammelt.) An manchen Tagen wurden die Abschlepper mit Laserzielvorrichtungen ausgestattet, falls die Army-Angehörigen oder Marines, die durch Golden Gate durchkamen, sie ihnen nicht wegschnappten, und nach einer gewissen Zeit projizierte Mark Spitz seinen eigenen, vor der Welt schwebenden roten Zielpunkt, wenn er sich mit Kugel, Beil oder baseballgroßem Granitbrocken ans Töten machte, aktivierte ein ruhiges Computerregister in seinem Gehirn, das Entfernung und Windgeschwindigkeit berechnete, den Grad von Unstetigkeit beim Ziel sowie Entfernung und Zugänglichkeit von Fluchtrouten berücksichtigte. Die erlesene Kunst des Ausschaltens.
    Er eliminierte, was ihn vernichten würde. In dem zerstörten Land schrieben sich die vielfältigen, in lebenslanger Vermeidung von Konsequenzen verfeinerten Überlebensstrategien für diese neue Welt um, vielleicht hatten sie aber auch nur endlich ihre ureigene Arena gefunden, ihr Betätigungsfeld, für das sie geschaffen worden waren. In einer lebenslangen Phase winziger Bewährungsproben und Wettkämpfe, der Vermeidung großer und kleiner, sozialer, symbolischer und, seit der Seuche, auch tödlicher Gefahren waren sie hervorgebracht, getestet, ergänzt und von Fehlern befreit worden. Wäre er imstande gewesen zu erklären, was alles an jenem Tag, an dem er sich den Spitznamen Mark Spitz verdiente, in seinem Gehirn abgelaufen war, die Unzahl manischer, einander überlagernder Prozesse, dann hätte er sich vielleicht einen anderen Spitznamen verdient, einen, der zu den ganz und gar blutlosen Vorgängen in ihm passte.
    »In gewisser Weise war ich endlich komplett.«
    »Kapier ich nicht.«
    »Tut mir leid.«
    Ihr Auftrag an dem fraglichen Tag betraf einen verstopften Abschnitt der 95. Einer der Generale, die im Zuge einer Informationsreise zu den Wiederaufbauprojekten in New England auch in Golden Gate vorbeischaute, hatte damals, in der guten alten toten Welt, bei Verwandtenbesuchen auf diesen Highway geschworen, und deshalb wurde seine Lieblingsabkürzung zur offiziellen Teilstrecke des Korridors. Das Skel-Aufkommen war gering, ein bis zwei pro Kilometer. Die Abschlepper hatten begonnen, die Leichenfelder als gegeben hinzunehmen, es nicht zu tun fiel schwer; ihre Kampf-oder-Flucht-Triebe unterlagen nicht mehr ihrem täglichen Trainingsplan. Die Truppe entdeckte freien Asphalt zwischen zwei Städten. »Ich brauche ein paar Autos«, sagte Quiet Storm zu Mark Spitz. »In meinem Kopf fügt sich alles zusammen.«
    Sie gab ein zufriedenes Schmunzeln von sich, als sie das Viadukt erreichten. Das Nadelöhr gestrandeter Fahrzeuge, widerspenstig und melancholisch, erstreckte sich über anderthalb Kilometer. Als die Abschlepper sich weiter vorarbeiteten, um nachzusehen, mit welcher Art von Stau sie es zu tun hatten, stellten sie fest, dass dieser am Nordende der Betonbrücke endete, die mit Hotel-Shuttlefahrzeugen und Stacheldraht komplett blockiert war. Dahinter standen Stoßstange an Stoßstange drei Streifenwagen, und die Abschlepper vermuteten, dass es sich um den Versuch irgendeines Provinz-Sheriffs handelte, die Seuche von seinem Zuständigkeitsbereich fernzuhalten. Das war offensichtlich fehlgeschlagen, und die Blockade hatte diese Menschen lediglich an der Flucht gehindert, zweifellos mit verhängnisvollen Folgen. Das war kein Werturteil. Ob die Seuche diese Pilger hier oder einige Kilometer weiter erwischte, das Ergebnis war das gleiche.
    Die Abschlepper teilten sich auf. Martha, Jimmy und Mel, die andere Hälfte der Mannschaft, übernahmen das Südende der Schlange stillstehender Fluchtfahrzeuge, und Mark Spitz’ Gruppe machte sich an das Viadukt. Das trübe Wasser unter der Brücke brachte eine angenehme Melodie hervor, ein beruhigendes Raunen. Der Abbau des Stacheldrahts sah nach aufwendiger Arbeit aus, deshalb schlug Mark Spitz vor, die Barriere später in Angriff zu nehmen und mit der Räumung der Brücke anzufangen, was, wie sich herausstellte, mit den Absichten übereinstimmte, die Quiet Storm mit diesem Kontingent verfolgte. Sie sahen sich den vertrauten

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