Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
Vom Netzwerk:
Überlebende auszusuchen, aber am frühen Abend köchelte diese Vorgehensweise noch auf kleiner Flamme. (Auch das eine Barrikade: man schied die Kranken von den Gesunden.) Die Happy Hour war undurchdringlich, während schmuddelige Drohnen auf Barhockern und weichen, niedrigen Sofas zusammenkamen, das Maßband zückten, um festzustellen, wer am meisten Grund zur Klage hatte, und zu vergessen versuchten, dass der elende Tag, kaum dass man ihn begräbt, am nächsten Morgen aus seinem Sarg aufersteht, dieses Monster. Jennifers Einladungstext fand eine begeisterte Antwort. Sie war eine schnelle Trinkerin, die ihre Kameraden zum Schritthalten nötigte und drängte. Sie würde dafür sorgen, dass er eine volle Dosis Medizin bekam.
    Sein Job war nicht übermäßig langweilig gewesen; am meisten hasste er das Pendeln von der Insel und das Gefühl, in einer Flaute zu liegen. Er arbeitete in der Kundenbetreuung, Abteilung Neue Medien, eines multinationalen Kaffeekonzerns. Ein Kumpel vom College hatte ihn auf die Stelle aufmerksam gemacht: »Du bist dafür perfekt. Es erfordert keinerlei Fähigkeiten.« Die Kaffeefirma hatte mit einem einzigen Café und einem eigenen geheimen Röstverfahren angefangen; Erkundigungen danach zauberten stets ein dünnes, neugieriges Lächeln auf die Lippen des Eigentümers. Eine zweigeteilte Ladenfront, ein Dutzend Brick-and-Mortar-Standorte metastasierten zu einem Franchise-Unternehmen mit einer Gesinnung: Underdog, aber unbeugsam; es verhökerte das Zubehör, das in physischer Form die Lebensstil-Philosophie artikulierte, der sich der Kunde schon vor Jahren durch hundert Unterwerfungsakte und stillschweigende Schwüre verschrieben hatte und die nun voll ausgereift war. Jedes in dem mit Logos gesprenkelten Zubehör gebraute Päckchen Bohnen erinnerte einen an den höheren Auftrag und die Verfassung Gleichgesinnter. Das Zuhause war das eigene, persönliche Franchise-Unternehmen. Man musste nicht mal ein Schild im Badezimmer anbringen, um sich ans Händewaschen zu erinnern.
    Die Zauberbohnen wurden biologisch angebaut und von Menschen gepflückt, die Vermarktung war in ihrer Technik unheimlich und in ihrer Durchführung skrupellos. Sein Job bestand darin, das Internet nach Gelegenheiten abzusuchen, Marktbedeutung für das Produkt zu säen und Gefühle von Markennähe zu nähren. So formulierte es sein Vorgesetzter. Das bedeutete, wie er bald erfuhr, Webseiten und den Apparat der Social Media nach Erwähnungen der Markenfamilie zu erkunden und sich zu melden. Er schickte Bots in den elektronischen Äther, wo sie sich unter die diversen globalen Webseiten und individuellen Feeds mischten, und wenn die Bots mit einem Treffer oder einer Markierung wiederkamen, schickte er eine Nachricht: »Danke fürs Kommen, schön dass Ihnen das Käffchen geschmeckt hat!« oder »Probieren Sie das nächste Mal den Mocha Burst, später werden Sie’s mir danken.« Er hockte auf den Hochspannungsleitungen wie ein binärer Geier und spähte aus alten, verpixelten Augen nach Resten. Wenn er Fleisch sah, schlug er zu. Manchmal antwortete der Empfänger, manchmal nicht.
    Die nur um sich selbst kreisenden Bewohner der Leere, die auf persönlichen Feeds und Seiten zwanghaft die fadenscheinigen Details ihres Alltags verbreiteten, mussten die Produkte gar nicht direkt nennen. Die blassen, dünnen Jungs zwei Etagen tiefer, in der Implementierung, erweiterten die Schlüsselwörter auf die gesamte Matrix des Kaffeekonsums und kaffeeaffiner Daseinsweisen, sodass Erwähnungen von Koffein, Teilnahmslosigkeit, Übererregtheit, Lethargie und sämtlicher Formen täglicher Kampfbereitschaft sein Terminal anpingten, worauf er ein »Warum versuchen Sie nicht mal unsere saisonale Jamaika-Mischung, wenn Sie das nächste Mal in der Gegend sind?« oder ein »Hört sich so an, als bräuchten Sie eine kräftige Tasse Iced Number Seven!« losschickte. Er rationierte Ausrufezeichen, verfluchte sie zu Mittag und verliebte sich dann erneut in sie.
    Die Firmensoftware überwachte seine Kunden, wie sie genannt wurden, sodass er, wenn sie Monate später eine Geburtstagsfeier oder ein bedeutendes Ereignis in ihrem Leben erwähnten, ein locker-flockiges »Alles Gute!« schickte und einen in den Nachbarstaaten einlösbaren Gutschein anbot. Oder ein »Tut mir leid, das mit der Trennung – hat sich so angehört, als würde es sowieso nicht funktionieren«, und einen Gutschein. Es war schön, einen Gutschein loszuschicken, vorausgesetzt, sie schickten ihm

Weitere Kostenlose Bücher