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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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Beförderungsmitteln und vorhersagbaren Anekdoten der Flucht gegenüber: Vier Motorräder hatten sich zwischen den Autos hindurch bis an die Spitze des Staus hindurchgeschlängelt und dann nicht wenden können; Nutzfahrzeuge, die man gemäß den monoton heruntergebeteten Notfalldurchsagen des Rundfunks überladen hatte, nur um die lebensrettenden Vorräte an dieser Straßensperre zurückzulassen; eine vollkommen leere Limousine, sämtliche Türen geöffnet, weil jeder Platz besetzt gewesen und dann geräumt worden war, keinerlei Spur.
    Das einzig ungewöhnliche Exemplar war der quer auf der Brücke stehende Sattelzug, den das Logo auf dem Anhänger als Teil eines Fachmarktfuhrparks auswies. Die Abschlepper waren kein Sammeltrupp. Zu ihrer Ladeliste zählte ein tägliches Benzinkontingent, das sie sich abzapften, sobald die Wagen abgestellt waren, und sie durften zum persönlichen Gebrauch an sich nehmen, was sie an Nahrungsmitteln fanden – die Energieriegel und konservierungsmittelträchtigen Chips –, aber das war auch schon alles. Als Richie die Hecktür des Anhängers entriegelte, erzählte er ihnen später, wollte er nur nachsehen, ob es sich lohnte, später einen richtigen Sammeltrupp hinzuschicken. Richie war ein Pedant, ein Teenager, den die erste militärische Einheit in Golden Gate als Maskottchen bei sich aufgenommen hatte. Autowracks aus dem Weg zu räumen war sein erster Arbeitseinsatz außerhalb der Mauern des Geländes.
    Wie und warum die Toten dort hineingetrieben worden waren, blieb ein Rätsel. Quiet Storm meinte, es handele sich um eine Regierungssache, die Kreaturen seien für Experimente vorgesehen gewesen, in den Anfangstagen, als das noch Priorität gehabt hatte; vielleicht hatte ein Computer in Buffalo diese Ladung als vermisst registriert, und nach dem Gefecht war die Datei dann entsprechend ergänzt worden. Mark Spitz’ Theorie ergab sich aus den Geschichten jener, die ihre Angehörigen in der Hoffnung auf die Entwicklung eines Heilmittels im Hobbykeller oder in der Garage angekettet hatten. Die Errichtung der Barrikade an diesem Viadukt fiel zeitlich mit der Blüte solcher optimistischer Gesten zusammen: Wir können damit fertigwerden, das Ganze ist zeitlich begrenzt, wenn wir nur den Kopf nicht verlieren. Er stellte sich den Nachbarschaftsverein eines Vororts mit engem Zusammenhalt vor, irgendeine am Reißbrett entworfene Gemeinde abseits der Interstate – an der Golfbahn des Country Clubs, nur eine kurze Fahrt vom Einkaufszentrum entfernt –, wie sie alle ihre infizierten Verwandten, Mom und Dad, die Smiths und die Hälfte der Jones’, zu einer Fahrt in den Anhänger trieben. Einer Fahrt zu einem Ort, wo sie geheilt, freigelassen oder mit einem Hauch von Würde und einer kleinen Prise religiösen Brauchtums vernichtet werden konnten. Der Fahrer des Sattelzugs war eine Stütze der Gemeinschaft, hatte sich vom Golf-Caddie zum Herrn des Viertels hochgearbeitet, ihm gehörte das größte Haus in der Sackgasse, ein spektakuläres Schloss, so kam es einem in bestimmten Nächten vor, das auf seiner eigenen bürgerlichen Wolke über der Entwicklung schwebte. Hatte außerdem nichts dagegen, eine Ladung Kids zum Multiplex zu fahren – wenn jemand sie dorthin bringen kann, dann er. »Werden auf eine Farm im Norden geschickt.«
    In dem Moment, in dem Richie nach der Anhängertür griff, richtete sich Quiet Storm in der Fahrerkabine vor dem Armaturenbrett ein und machte sich mit der Maschine vertraut, und Mark Spitz kauerte in einem Kleinbus deutscher Fabrikation und riss ein Päckchen Erdnüsse mit Schokoladenüberzug auf, das er gefunden hatte. Er hörte Richie brüllen. Richie kam an dem Lkw entlang auf seine Kameraden zugerast, verfolgt von dem riesigen Rudel Skels, das er gerade freigelassen hatte. Waren es sechzig oder siebzig oder noch mehr? Als sie die Geschichte später erzählten, warf man ihnen jedes Mal vor, sie übertrieben, und die Anekdote kam eine Weile nicht von der Stelle, bis die Debatte über jene moderne Version von »Wie viele Engel können auf einer Nadelspitze tanzen« – Wie viele Tote passen in einen Anhänger – entschieden war. »Eine ganze Menge«, lautete jedes Mal das Ergebnis.
    Jedenfalls befanden sich die Abschlepper mitten auf der Brücke, abgeschnitten von Land. Die drei verfügten über zwei Waffen, da sie auf einem Arbeitseinsatz nie mehr als das gebraucht hatten. Quiet Storm hatte aufgehört, ihr Gewehr mitzunehmen; sie hatte es seit Wochen nicht benutzt,

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