Zone One: Roman (German Edition)
-/Hi-Fi-Schrank schaute, und wo sollte man sonst hinschauen). Vielleicht dort.
Er konsultierte die zerfledderte Kladde, die seinen beruflichen Werdegang enthielt. Er sah sich nicht um die Kasse des zünftigen Sandwichladens herumstreichen, für den er zwei Sommer lang gearbeitet hatte, ein Gig für Loser, oder emotional so sehr seinem Job als Colada-Servierer verhaftet, dass er sein Dasein damit zubringen würde, mit einem grauen Lappen über den Tresen zu wischen, bis sein Körper sich in graue Flöckchen auflöste. Oder bis der Amerikanische Phönix über Zone One und die nächsten Zonen hinaus mobilmachte, anfing, den Rest des Landes aufzuräumen und irgendein künftiger Sweeper eines künftigen Trupps ihn in den Kopf schoss. Das heißt, wenn er, falls er infiziert wurde, allein war – der stillschweigende Todespakt war das neue »Die nächste Runde geht auf mich«. Erledige mich, wenn ich gebissen werde. Und er würde ganz bestimmt nicht nach Chelsea gondeln und flotte Lobreden ins tote Netz eingeben. Vielleicht würde er hierher kommen.
Eines Sonntagabends zu Beginn seiner Dienstzeit, er trank gerade mit Kaitlyn gesponserten Wein in dem Jiaozi-Laden, kam der Lieutenant hereingestürmt. Mark Spitz und Kaitlyn hatten den Dim-Sum-Palast verlassen, nachdem ein Zug Marines, der auf dem Weg nach Buffalo neue Kräfte tankte, mit den abgestandenen Skel-Witzen angefangen hatte, die sie schon hundertmal hatten ertragen müssen. (»Ich hab gesagt, du sollst mir einen blasen, nicht beißen.«) Dann hatte die Connecticut-Clique samt Gary versucht, mit den Marines zu konkurrieren, und ausgefallene Skel-Verstümmelungen und -Enthauptungen aufgezählt, und es war Zeit gewesen zu gehen.
»Das ist mein eigentliches Büro«, sagte der Lieutenant. »Sanctum sanctorum.« Mit einer Handbewegung bedeutete er ihnen, sitzen zu bleiben, als sie aufstanden. »Aber ihr könnt ruhig hierbleiben. Ich besitze Weisheit, und ich sehe, dass ihr Suchende seid.« Mark Spitz wusste, dass der Lieutenant mit Einbruch der Dunbkelheit besoffen war, roch tagsüber den süßlichen Alkoholhauch, der ihm aus den Poren drang, und jetzt war es schon spät am Abend. Was das anging, blieb Mark Spitz seinem Grundsatz treu: Richte nicht über die Störungen anderer, auf dass du selbst nicht gerichtet werdest.
Der Lieutenant schob sich neben Mark Spitz und gegenüber von Kaitlyn in die Nische. »Irische Totenwache«, sagte er. Das Etikett seiner Whiskeyflasche war abgelöst, damit man den Namen der nicht zu den Sponsoren gehörenden Brennerei nicht sah, und auf dem Glas schwebten rotzig gelbe Kleberschlieren.
Kaitlyn schauderte und zog die Arme an die Brust.
Der Lieutenant sagte: »Gänsehaut. Der Nachtwind oder die radioaktive Strahlung?« Er rieb sich den Mundwinkel. »Wir haben unsere Atomkraftwerke gegen Pannen gesichert – die Atomkraftwerke, Fort Knox und die Bunker der großen Tiere gesichert –, aber das haben leider nicht alle getan. Und jetzt haben wir dieses ganze diesige Kernschmelze-Zeugs, das über den Pazifik heranschwebt. Wie unsichtbarer Schnee.«
»Oder Asche«, sagte Mark Spitz.
»Oder Asche.« Der Lieutenant erkundigte sich nach der Zone, und sie lieferten optimistische Berichte darüber, dass der Job sich als unerwartet einfach entpuppte. Man knallte den einen hier, den anderen da ab. Steckte sie in den Sack. Machte praktisch keinerlei Probleme. Kaitlyn sagte ihm, dass sie vielleicht früher fertig würden als von Buffalo veranschlagt. »Ich bin froh, dass es bloß Irrläufer sind«, sagte sie.
»Das sind wir alle«, sagte der Lieutenant. »Gott segne sie. Stellt euch vor, wie die Welt aussähe, wenn die Seuche dafür sorgen würde, dass sie neunundneunzig Prozent der Skels ausmachen, und nicht andersrum. Das wäre eine schöne Scheiße.« Ob sie darüber mal nachgedacht hätten?
Die Sweeper gaben zu, dass das nicht der Fall war. Der Lieutenant griff sich zwei Wassergläser, füllte sie mit Whiskey und ließ sie gegen die Weingläser klirren. »Sehr zum Wohl«, sagte er. Er beugte sich über den Tisch. »Helft mir mal eben, stellt euch neunundneunzig Prozent Irrläufer vor. Egal, wie alle gebissen worden sind – sagen wir, das Ganze ist durch die Luft übertragen worden. Was würden wir mit ihnen machen? Mit diesen ganzen Skels, die einfach nur rumstehen. Heilen können wir sie nicht. Wenn wir sie nach Hause, in eine ›vertraute Umgebung‹ bringen, stehen sie wahrscheinlich einfach auf und gehen wieder dahin zurück, wo man
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