Zone One: Roman (German Edition)

drin die reinsten Ninjas, verdammt noch mal.« Sie flüsterten, sie tappten in Socken durchs Haus, sie fuhren beim leisesten Geräusch – einer zu rasch geschlossenen Küchenschublade, einer unbeabsichtigt entwichenen Blähung – zusammen. Gleichwohl schlichen die Kreaturen in ihrer Niedertracht nicht davon, und bis Mittag strichen schon doppelt so viele durchs Unkraut. Margie wünschte, sie hätte am Vortag Wasser geholt – die erste aus der Gruppe, die der Angst Ausdruck gab, dass sie vielleicht für eine nicht abzusehende Zeitspanne belagert würden.
    Bis zum Abendessen waren es fünfzig. Mark Spitz war bestürzt: Sie verweilten vor einem leeren Teller. Passierte ständig, dass ein Skel wahrzunehmen schien, dass jemand hinter einer Tür, im Keller oder Gästezimmer zitterte, aber wenn man sich ruhig verhielt, verzog es sich irgendwann wieder. Keiner von ihnen hatte so etwas schon erlebt, eine derart unaufhaltsame und angesichts des Fehlens akustischer oder visueller Reize, die die Skels hätten anziehen oder ihr Interesse hätten wachhalten können, unwahrscheinliche Versammlung. Insofern man bei ihren fiebernden Gehirnen überhaupt von so etwas wie Interesse reden konnte. Mark Spitz und seine Gastgeber spielten bis spät in die Nacht Hearts und beteten, dass sich die grausige Zusammenkunft bis zum Morgen auflösen würde. Tad war abgelenkt und konnte seinen Sieg vom Vorabend nicht wiederholen.
    An den nächsten beiden Tagen wanderten die Skels in düster wachsender Zahl im Nieselregen umher. Die Kreaturen zeigten keinerlei Neugier, was das Haus anging. Weder bohrten sie die geschwärzten Finger zwischen die Bretter, um die Barrikade einzureißen, noch zerrten sie an den Fallrohren, sammelten sich an den Türen oder scharrten an den Wänden. Wäre man im verfluchten Connecticut gewesen, wäre das Haus längst ein Haufen Bauschutt, aus dem wie ein Knochen der nackte Schornstein ragte. Mark Spitz entsann sich eines Trickfilms im Physikunterricht der High School, in dem die roten Moleküle in einem Ballon in Zufallsvektoren von der Hülle abgeprallt waren, stets in Bewegung, stets richtungslos, stets gefesselt. Warum blieb dieser zusammengewürfelte Haufen innerhalb einer »Hülle« wie der Grundstücksgrenze, und warum kamen immer mehr? Bis zum Essen am nächsten Abend zählten sie hundert, dieselben wie am ersten Morgen – einen Priester, der aus jeder sichtbaren Körperöffnung nässte, eine für die Sporthalle gekleidete, dickbäuchige Frau, den Cop – und ihre stumm rekrutierten Gefährten.
    »Vielleicht bevorzugen sie Produkte aus der Region«, sagte Tad.
    »Die sind reingeschneit, und die verziehen sich auch wieder«, sagte Jerry. Er kauerte unter einer schwarzen Haube vor dem Briefschlitz. Die Monster waren schließlich eine Art Wetter; Mark Spitz war schon früher aufgefallen, dass man unter Wanderern, die einander nie begegnet waren, in spontanem linguistischem Konsens auch so von ihnen zu reden begann. Die ersten hätten sie noch erledigen können, doch inzwischen waren es zu viele. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zu warten. Mark Spitz vergegenwärtigte sich das Gelände und die örtliche Topographie, ein über Hampshire County kreisendes, körperloses Wesen. Falls die Toten anfingen, das Haus zu zerlegen: Durch eines der hinteren Fenster hinausspringen und in Richtung Bach laufen oder sich zur Straße durchschlagen? Solo, was er am besten konnte, oder einen von den anderen mitnehmen? Er hatte am ersten Abend keine Gelegenheit gehabt, einen von Mims Notfallrucksäcken zu verstecken. Die Aussichten auf Flucht waren auf allen Seiten des Hauses gleich. Die Toten verteilten sich gleichmäßig in den Blumen und graubraunen Gräsern, bloß eine andere Art von Unkraut, die der Wind herangeweht hatte.
    »Wenn die sich bloß endlich beeilen und denen die Köpfe wegblasen würden«, sagte Tad. Die fraglichen Die waren, was auch immer sich an neuen Obrigkeiten mit Gewehren, Slogans und frischem Gemüse aus der Finsternis herausschälte. Auf Tads Äußerung hin begannen Mark Spitz’ Gastgeber ihre Pläne und Vorhaben für die Zeit nach der Seuche zu offenbaren. Das war, zumindest in seiner Nähe, ein seltener Zeitvertreib, dem man sich nicht so ohne weiteres hingab, und Mark Spitz wunderte sich, dass vollkommen (relativ) vernünftige Menschen sich daran beteiligten. Es brachte nicht nur Unglück, sondern es hieß, sich mit einem Kissen rittlings auf die Wirklichkeit zu setzen, während sie schlief, und es