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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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dass Toni die Idee der Bombe ins Spiel gebracht hatte. Sara würde den Schlüssel beschaffen, Pippo würde sie legen. Das Kommando Victor Jara war geboren. Im Bekennerschreiben kopierten sie Jaras letztes Gedicht, das er im Stadion von Santiago, unter Tausenden politischer Gefangener, Gefolterter, vergewaltigter Frauen noch mit gebrochenen Fingern gedichtet hatte.
    Wie schwer ist das Singen ,
    wenn ich den Schrecken singen muss .
    Den Schrecken, den ich lebe ,
    den Schrecken, den ich sterbe .
    Im Halbschlaf hörte er Schritte im Korridor, Türen gingen, Flüsterstimmen und halblautes Gemurmel. Er wollte sich erheben, doch sein Körper war wie gelähmt, er fror, seine Füsse fühlten sich wie hartes Eis an. Die Stimmen verloren sich, er träumte. Mit seinem Schwiegervater sass er unter dem Vordach seines Hauses, sie tranken, dann sangen sie miteinander: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit … Steven grinste. Ich weiss alles von dir. Dann nahm er ihn bei der Hand, sie torkelten ums Haus. Beim Zaun gegen den Wald stellten sie sich nebeneinander und pissten ins Gebüsch. Sein Urin knisterte im trockenen Ahornlaub.
    Eine Tür knallte. Robert drehte sich, stützte sich auf. Kommandostimmen draussen. Er schob die Decke von sich, spürte eine nasse Stelle zwischen den Beinen. Er hatte im Schlaf ins Bett gepisst. «Fucking hell!»
    Es war ihm auch zu Hause schon passiert. Die kalten Füsse, die schwache Blase, der Alkohol, die Erschöpfung. Er zog die Decke über den feuchten Fleck, um das Sofa war es nicht schade. Marilyn hatte darauf bestanden, eine neue Matratze zu kaufen, einen Schonbelag aus Gummi. Eine Freundin hatte ihr den Floh von Windeln ins Ohr gesetzt. Es gebe Windeln für inkontinente Männer, kein Problem, darüber sprach man offen. Man war ja im Alter, da musste man mit solchen Zwischenfällen rechnen. Sie wollte ihn zu einem Psychologen in eine Therapie schicken, Blasentraining und solcher Schmarren. Zum Glück hatte er seine Hose ausgezogen. Die Unterwäsche würde am Leib trocknen und er hoffte, sein Koffer sei endlich eingetroffen. Er würde ein Hotel beziehen, duschen, rasieren. Wieder in sein reguläres Leben einspuren.
    Die Tür wurde aufgestossen, ein Bulle im Blaumann trampelte herein, Schlagstock an der Seite, Pistole und Funkgerät am Riemen. «Da ist noch einer!», rief er in den Korridor. «Was machst du hier?»
    «I’m sorry …», setzte Robert an, schlüpfte hastig in seine Hose.
    Drei oder vier Polizisten stürzten herein, standen um ihn herum, glotzten ihn an, als sei er ein Ausserirdischer.
    «Das ist keiner von denen.»
    Robert sah an sich herab, er fürchtete, die nassen Unterhosen könnte durch den Stoff drücken.
    «Wer bist du? Hast du Ausweise? Kannst du reden?»
    Robert griff seine Jacke vom Stuhl, zog seinen amerikanischen Pass heraus.
    «Do you speak English?»
    «Yes», sagte Robert. «I’m a citizen of the United States of America.»
    «Why you are here?»
    Er erklärte in seinem Slang, er sei Tourist, habe sich in der Stadt verlaufen, eine nette junge Frau habe ihm angeboten, hier zu übernachten.
    «This is illegal, you know?»
    Robert stellte sich unwissend, war froh, dass seine Hose trocken blieb und die Bullen nichts von seinem Missgeschick bemerkten. Er zog seinen Mantel an, fand seinen Schirm wieder.
    Ein junger Polizist begleitete ihn ins Freie. Er schien misstrauisch zu werden, als er nach Roberts Gepäck fragte und dieser erklärte, es sei nicht eingetroffen. Der Mann rief den Flughafen an, aber da meldete sich nur eine Combox. Es war noch zu früh am Tag. Er tippte Notizen in sein Smartphone, Roberts Handynummer und seine Adresse in Iowa City. Erklärte dann, das Haus sei einige Monate besetzt gewesen, aber nun hätten sie den Auftrag zu räumen. «Die Vögel sind ausgeflogen. Haben Wind bekommen. Nur Sie hat man vergessen.»
    Robert lehnte die Zigarette ab, die ihm der Polizist anbot. Dieser genoss es sichtlich, etwas englisch zu sprechen, plauderte über eine Reise quer durch die Staaten. «Route 66, mit einer Harley.»
    «Easy Rider?»
    «Yes.» Der junge Mann warf sich in die Brust. Schwärmte dann von Jack Kerouac, «On the Road», sein Kultbuch. Der Traum von einem unabhängigen, wilden Leben. Aber nun, Familie, Kinder, Eigentumswohnung. «Ich habe die Gedenkstätte für Kerouac in Lowell besucht. Kennen Sie die?»
    Robert kannte das Jack-Kerouac-Memorial in einem Park in der alten Industriestadt in Massachusetts. Heruntergekommene Textilindustrie, riesige leere

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