Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
Vom Netzwerk:
glaube, das war er, der Politiker.»
    Pippo war auf einen Schlag wach und klar.
    Er sah Zusammenhänge. René, der zu ihm ins Gartenhaus gekommen war. René, der für Tscharner arbeitete, Medienarbeit, wie er sagte. René, der vielleicht ganz anders war, als er glaubte. Geschniegelte Fassade, Schaufensterpuppe im Bett, Computer und Kohle. René, Liebling der Mama, Stolz der armen Alice. René hatte ihm eine Botschaft geschickt. Den Schlüsselanhänger. Er wusste, dass ihnen damals ein Schlüssel zum Verhängnis geworden war. Er hatte seine Fiche gelesen, hatte die junge Frau mit dem Fladenhut geschickt. Vielleicht seine Neue. Sie kannte Robert, sie hatte Martin Kunz gekannt. Ein Puzzle, viele Teile, die er zusammensetzen müsste. Doch vielleicht war alles wieder eine Falle und er lief mit offenen Augen hinein. Die Geschichte wiederholte sich.
    «Tut mir leid, Gretel», sagte er.
    «Warum, Pius, warum?»
    «Ich denke immer nur an mich.»
    Sie umfasste mit beiden Händen seine Rechte. «Pius. Ich hab dich doch gern.» Dann schluchzte sie, suchte nach einem Taschentuch, schnäuzte sich.
    Er stand auf, legte seine Arme um ihren Leib, zog sie von der Bank hoch. «Sie werden mich verhaften, Gretel. Aber ich komme bald wieder frei. Dann gehen wir zusammen in die Oper, ich verspreche es dir.»
    Er küsste sie in den Nacken, spürte ihren Körper, der sich an ihn drängte, ihre weichen Brüste. Zweimal Unglück gibt vielleicht doch Glück, dachte er.
    Dann hörte er die Polizeisirene, nicht auf der Schweighofstrasse, sondern schon näher, bereits auf dem Höhenweg.
    «Sie kommen, Gretel.» Er trat ans Fenster, sah hinaus. «Du gehst jetzt ins Triemli hinüber, nimmst dir beim Spital ein Taxi und fährst an die Zwinglistrasse. Es gibt dort einen Sexsalon Irina. Ein Freund von mir wohnt im oberen Stock, Hermann Amberg. Dem gibst du den Anhänger und sagst ihm, er solle mal reinschauen.»
    Sie wandte sich um, drückte ihren Kopf gegen seine Brust. «Das ist doch im Kreis Vier. Nein, da trau ich mich nicht hin in der Nacht.»
    «Dann schau, ob Mehmed in seiner Hütte ist. Oder hol ihn aus den Federn, du weisst ja, wo er wohnt. Er soll dich begleiten.» Pippo zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche, zupfte eine Fünfzigernote heraus. «Hier, fürs Taxi.»
    Ohne ein Wort nahm sie das Geld. Er sah ihr nach, wie sie zum Gartentor hinausging, den Kopf eingezogen, und durch die Gärten gegen das Triemli. Das Blaulicht eines Polizeiautos streifte über die kleine Gestalt mit den kurzen Beinen. Der Streifenwagen hatte auf dem Höhenweg angehalten, die Sirene ausgeschaltet.
    Pippo griff nach der Pistole und entsicherte sie.

    Irinas Salon schloss um zwei Uhr nachts, doch da war immer noch Licht im verhangenen Fenster. Hermann sah auf die Uhr. Halb drei. Ein paar späte Kunden, dachte er. Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass neue Mädchen da waren. Irina pries sie auf ihrer Website an wie ein Modehaus die Herbstkollektion. Er trat ins Treppenhaus, hörte Stimmen hinter der schwarzen Tür. Er blieb stehen, lauschte. Ein helles Lachen liess seine Seele erzittern. Carmen! Die Tangoprinzessin, die Königin seines Herzens. Seine Carmencita. Er drückte dreimal die Klingel, die Tür ging einen Spalt auf. Eine Engelsstimme flötete: «Wir geschlossen spät.» Es war eines der Mädchen.
    «Ruf Irina!» Seine Stimme klang eine Spur zu barsch.
    Die Kette klinkte aus. Der nackte Arm einer Schönen geriet in sein Gesichtsfeld, blondes Haar, Tattoo auf der Schulter. Dann ein Tisch und rötliches Licht und Plüsch, überlagert von Rauchschlieren.
    «Komm rein, komm rein, Hausmeister.» Irina, ein Glimmstengel zwischen den Lippen, wedelte mit der Hand durch den Rauch. Das Lachen vom Tisch her klang wie Schalmei in Hermanns Ohren. Er stolperte über einen Teppichrand, fing sich an der Tischkante auf. «Carmen …» Das war mehr ein Aufschrei als ein Wort. Er vergass, seinen Mund zu schliessen, seine Finger tappten wild über die Glasplatte. El Choclo.
    Hinter dem Tisch thronte die Prinzessin in einem hautengen schwarzen Hosenanzug aus Samt. Um den Hals eine Goldkette mit einem Kreuz, das zwischen den sanften Hügeln ihres Busens ruhte. Die Haare zu zwei züchtigen Zöpfen mit roten Maschen geflochten. Neben ihr, und jetzt sackte Hermanns Kinn noch tiefer, sonnte sich die dicke Ruth. Auch sie ganz in Schwarz, Glitzerglanz auf den Augenlidern und Klunker um Hals und Handgelenke. Hermann schoss der Gedanke durchs Hirn, dass sie ganz gut zur Belegschaft

Weitere Kostenlose Bücher