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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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Schnaps. Schon jung an Magenkrebs heimgegangen, wie der Pfarrer das nannte. Was für ein feiner, intelligenter Mensch, was für ein trauriges Leben. So wie man gelebt hat, so wird das Ende sein, hatte er einmal gelesen. Im Tod erfüllt sich das Leben. So war auch Alice gestorben, stumm und ohne Abschied. Wenn er doch nur an ein Wiedersehen im Himmel glauben könnte, dann wäre alles einfacher. Ein paar Worte würden genügen. Ich liebe dich. Behüt dich Gott.
    Pippo schrak auf, er war eingeschlafen. Jemand hatte an die Tür geklopft, so schien ihm. Er horchte. Auf der Schweighofstrasse wimmerte eine Ambulanz, die ins Triemlispital fuhr. Nochmals pochte es zaghaft an die Tür. Eine leise Stimme liess sich vernehmen. «Pius. Du bist doch da.»
    Pippo schloss auf. Greta kauerte vor der Tür, sah zu ihm hoch, flüsterte. «Ich hab dich gesehen. Darf ich reinkommen?»
    «Was hockst du da am Boden?»
    «Ich will nicht, dass mich jemand sieht.»
    Er machte auf, sie trat ein, blieb bei der Tür stehen.
    «Was schleichst du hier herum, mitten in der Nacht?»
    «Ich hab auf dich gewartet.»
    Das klang, als sei er vor fünfzig Jahren ausgewandert, sei eben heimgekehrt zu seiner einstigen Braut. «Du hast auf mich gewartet?»
    «Da ist was, Pius.» Sie kam auf ihn zu, klammerte sich an seinen Arm. Ihr Atem streifte ihn. Sie hatte getrunken.
    «Was soll schon sein. Setz dich hin. Ich mach dir Kaffee.»
    Er zog seinen Arm weg, ging zum Herd, sie liess sich auf die Bank sinken, stützte den Kopf auf die gefalteten Hände. Dann stiess sie einen Schrei aus: «Um Himmels Willen!»
    Sie hatte die Pistole gesehen. «Pius!» Sie schoss auf, umklammerte ihn von hinten, zitterte am ganzen Körper. «Pius, was hast du vor?»
    «Sie werden mich verhaften.»
    «Warum denn? Du hast doch nichts angestellt, oder?»
    Mit den Ellbogen schob er sie weg. «Lass mich jetzt.»
    Sie setzte sich wieder, weit weg von der Pistole, als würde die Waffe gleich explodieren. Er sah dem flackernden Kranz der blauen Gasflammen zu. Wieder hörte er Sirenen auf der Schweighofstrasse. Ein anderer Klang als die Ambulanz. Ein hässliches Jaulen, das ins Mark fuhr.
    Der Kaffee kochte. Er goss zwei Tassen ein, stellte sie auf den Tisch, setzte sich Greta gegenüber. Sie lehnte zurück, schloss die Augen. Eine Armlänge von Pippo lag die Pistole. Ein Gedanke blitzte ihm durch den Kopf. Pack das Schiesseisen, mach Schluss mit uns beiden. Zwei Unglückliche weniger auf der Welt. Oder könnten wir glücklich sein zusammen? Sie würde bestens für mich sorgen. Sie kocht deftig, Blutwurst, Semmelknödel, Kartoffelpuffer, und gibt unter der Bettdecke warm. Kann zweimal Unglück Glück ergeben? So wie Minus mal Minus Plus ergibt?
    Greta griff nach der Tasse, umfasste sie mit beiden Händen, trank den Kaffee in hastigen Schlucken.
    «Warum hast du auf mich gewartet, die halbe Nacht?»
    Sie beugte sich über den Tisch, und er sah, dass sie nicht einmal ein Halstuch trug unter dem Mantel. «Der Schlüsselanhänger», flüsterte sie.
    «Was ist damit?»
    Sie schob sich näher, bis ihr Gesicht beinahe seines berührte. Er wich vor ihrem Atem zurück. «Es ist ein Stick.»
    Sie holte den Schlüsselanhänger aus ihrer Schürzentasche, fasste ihn mit zitternden Fingern, zog an den Hörnern des Steinbocks. Der Anhänger teilte sich zwischen Kreuz und Kopf. Ein Metallteil glänzte, eine Art Stecker. «Das ist ein Stick. Ein Speicher.» Sie presste ihre Lippen zusammen, suchte nach Worten.
    «Und was soll dieser Speicher?»
    «Ich bin doch so neugierig, Pius. Hat mich wunder genommen, was da drauf ist. Zu Hause habe ich ihn in meinen Computer gesteckt.»
    «Du verstehst was von Computern?»
    «Ja sicher. Als Leiterin des Altersheims musste ich doch drauskommen. Habe Kurse besucht.»
    «Was hast du herausgefunden?»
    Sie fasste seine Hand. «Pius», zischte sie, «da gehts um ein Verbrechen.»
    «Ein Krimi also. Na und?» Er zog seine Hand weg.
    Hastig berichtete sie, auf dem Stick sei ein kurzer Film gespeichert, man sehe zwei wilde Männer in Lederjacken, höre die Stimme von einem dritten, der sage, er habe nichts zu tun mit der Sache. Offenbar gehe es um den Gemeinderat, der vor ein paar Tagen in der Limmat ertrunken sei. Vielleicht sei das gar kein Unfall gewesen, wie in der Zeitung stand. Kurz sehe man auch das Gesicht des dritten Mannes, sie habe es schon in der Tagesschau gesehen.
    «Sprach er Bündner Mundart?»
    «Kann sein, ja.»
    «Tscharner», bemerkte Pippo.
    «Ja, ich

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