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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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Unterkaufmann hat nun einmal die Befehlsgewalt. Er spricht für die Companie.«
    »Wer passt sonst noch auf die Leute auf?«, wollte Wiebe wissen.
    »Der Steinmetz, glaube ich.«
    Wiebe runzelte die Stirn. Ausgerechnet der, dem niemand traut, dachte er.
    »Es wäre mir lieber, wenn der Steinmetz mit uns käme«, bemerkte er.
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    »Mir auch«, entgegnete Janz mit bekümmerter Miene. »Doch der Unterkaufmann hat es nun einmal anders bestimmt. Tu einfach deine Pflicht, Hayes, und denk nicht darüber nach.«
    Wiebe ging kopfschüttelnd davon. Irgendetwas an der Sache war eigentümlich. Er wusste nur nicht, was.
    Sussie bemerkte, dass Wiebe über den Strand auf sie zugeeilt kam. Als sie seine hin und her schwingenden Arme sah, lächelte sie, weil er sie an eine Windmühle erinnerte.
    Wiebe ist groß und schwer wie ein Ochse, dachte Sussie.
    Aber dennoch hatte sie sich noch nie vor ihm gefürchtet. Das war bei van Huyssen ganz anders. Bei dessen Anblick wurde ihr stets unheimlich zu Mute, obwohl er eher zierlich war.
    »Ich muss hinüber zu der Langen Insel«, erklärte Wiebe, als er vor Sussie stand. »Der Unterkaufmann sagt, es gibt dort Wasser. Wir füllen die Fässer auf. In ein paar Tagen bin ich wieder da.«
    Sussie nagte an ihrer Unterlippe. Der Gedanke an Wiebes Abwesenheit behagte ihr nicht. »Wer fährt noch mit?«, fragte sie.
    »Alle Söldner. Die Holländer, die Flamen und die verbliebenen Franzosen«, entgegnete Wiebe. »Na ja«, fügte er hinzu, »ist eigentlich nur gerecht. Seit die Hütten und Zelte fertig sind, haben wir nichts Vernünftiges mehr zu tun, und es sind immer noch genug Männer hier, die Robben jagen und fischen können.«
    Sussie betrachtete ihn sehnsüchtig. So jemanden werde ich eines Tages heiraten, beschloss sie. Jemanden, der schlicht, freundlich und zuverlässig ist.
    »Ich möchte, dass Ihr mir einen Gefallen tut«, unterbrach Wiebe Sussies Gedanken.
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    Er stand nun so dicht vor ihr, dass Sussie sich zwingen musste, nicht ihre Arme um ihn zu schlingen, den Kopf an seine Brust zu betten und sich an ihn zu schmiegen.
    »Ihr kennt doch Jan Finten, den Engländer«, fuhr Wiebe unterdessen fort. »Er liegt bei den Kranken, und es geht ihm schlecht. Ob Ihr Euch ein wenig um ihn kümmern könnt? Sorgt dafür, dass er seine Wasserration erhält, und vielleicht kühlt Ihr ihm auch ab und zu die Stirn. Was meint Ihr? Werdet Ihr das tun?«
    Sussie nickte. »Ganz gewiss«, versprach sie Wiebe eifrig. Sie freute sich, dass er ihr eine Aufgabe anvertraute. Sie würde den Engländer hingebungsvoll pflegen. Das würde wie ein Gelöbnis sein, das sie und Wiebe verband.
    Als Sussie Wiebe ins Gesicht sah, stellte sie fest, dass er mit einem Mal verlegen wirkte. »Ihr seid ein süßes Mädel, Sussie Fredericks«, erklärte er. »Ich hätte Euch gern einmal geküsst.«
    Danach machte Wiebe auf dem Absatz kehrt und eilte mit seinen schwingenden Armen über den Strand davon.
    Tu's doch! wollte Sussie ihm nachrufen. küss mich gleich hier auf der Stelle! Mit einem Seufzer blickte sie um sich. Leider war die halbe Insel auf den Beinen, und jedermann hätte sie gehört.

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    XVII

    Wie Sie wissen, mag ich den Bösewicht. Allerdings reizt nicht er selbst mich, sondern eher die Einfalt, mit der die anderen Menschen ihm begegnen.
    Stellen Sie sich den Unhold als geiferndes Monstrum vor, als Ungeheuer, dem der Wahnsinn aus den Augen springt?
    Nun, in dem Fall ist es Zeit für einen weiteren Exkurs.
    Der wahre Schurke ist nämlich freundlich. Er lächelt gefällig und ist galant.
    Sie treffen ihn bisweilen in einem Kontor oder in den Salons feiner Leute an. Er ist stets liebenswürdig, er reicht Ihnen die weiche Hand, er weiß zu plaudern, ist feinsinnig, weltgewandt...
    Er könnte indes auch ein Dienstbote sein, der sich mit gesenkten Lidern verneigt, dieweil er sich lustvoll ausmalt, wie er Sie meuchelt, metzelt und entehrt.
    Der Böse ist demnach ein Meister der Verstellung. Er will, dass Sie ihm in die Falle tappen, denn darin besteht sein Genuss.
    Die Missetat selbst ist ihm nachrangig.
    Für mich erhält er dadurch eine gewisse Würze, doch Ihnen möchte ich wärmstens empfehlen, auf der Hut zu sein.

    Auf der Langen Insel

    Die Söldner fluchten, als sie mit nackten Füßen die weißen Korallensplitter berührten. Die ersten hatten sich bereits die Fußsohlen aufgeschnitten. Die anderen legten sich schleunigs t ihre schweren Schnallenstiefel an, ehe sie ins Wasser sprangen.
    -284-

    Die Insel

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