Zorn der Meere
Jeronimus erzählt hatte. Dennoch zog er es vor, dessen Hände gebunden zu lassen.
»Gebt ihm einen Schluck Wein«, trug Francois einem Soldaten auf.
Der Mann hielt Jeronimus einen gefüllten Becher an den Mund, und Jeronimus schlürfte die ersten Schlucke gierig in sich hinein.
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»Herr Unterkaufmann«, begann Francois, »ich möchte von Euch -«
»Ich danke Gott, dass Ihr erschienen seid«, fiel Jeronimus ihm ins Wort. »Ihr habt keine Ahnung, welche Ungeheuerlichkeiten sich nach Eurem Verschwinden ereigneten.«
Nach meinem Verschwinden! dachte Francois verärgert, doch noch ehe er Einwände erheben konnte, setzte Jeronimus an, Einzelheiten der vorgefallenen Gräueltaten aufzuzählen.
Ungeduldig hob Francois die Hand. »Langsam, Herr Unterkaufmann, eins nach dem anderen, bitte. Vielleicht schildert Ihr mir zuerst einmal Eure Rolle bei dem Ganzen und das, was Ihr persönlich tatet. Nach den Worten der anderen lagen dort die Ungeheuerlichkeiten.«
Jeronimus schaute entrüstet drein. »Wessen haben sie mich beschuldigt? Wer von ihnen hat überhaupt gewagt, den Mund aufzumachen?«
»Nun, da wären zum Beispiel ein gewisser Mattys Beer, ein Jan Hendricks und ein Allert Janz«, erwiderte Francois gereizt.
»Ihre Aussagen decken sich, was Euch betrifft.«
»Ihr habt sie gefoltert«, warf Jeronimus ihm vor. »Sie wollten ihren Hals retten und haben gelogen.«
»Die Androhung der Folter reichte bereits aus«, entgegnete Francois. »Für den Moment ist derlei jedoch unmaßgeblich. Ich bitte Euch nun um Eure Version. Und Euch droht und foltert niemand.«
»Unter vier Augen, Herr Kommandeur! Unter vier Augen erzähle ich Euch alles.«
»Das ist leider nicht möglich, Herr Cornelius. Eure Aussage muss öffentlich stattfinden. Ich habe einen Schreiber herbefohlen. Er hält Eure Worte fest.«
Jeronimus schien mit sich zu kämpfen. Dann seufzte er tief und nickte ergeben. »Die Drahtzieher waren vermeintlich
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anständige Menschen wie David Zeevanck und Conrad van Huyssen«, erklärte er bekümmert. »Ich habe lediglich versucht, am Leben zu bleiben - ein recht natürliches Bestreben, wie mir scheint. Bisweilen zwingt es den Menschen jedoch, Dinge zu tun oder hinzunehmen, die er unter anderen Umständen ablehnt.
Ihr könnt das gewiss nachempfinden, Herr Kommandeur.«
Jeronimus bedachte Francois mit einem vertraulichen Blinzeln.
Du Mistkerl, dachte Francois wütend, während er die Blicke der anderen mied.
»Die vorgenannten Männer«, hub Francois noch einmal an,
»erklärten, es sei Eure Idee gewesen, das Rettungsschiff zu kapern und all jene von der Mannschaft zu töten, die sich Euren Plänen widersetzen.«
»Ja, natürlich bin nun ich der Bösewicht«, sagte Jeronimus, betrübt angesichts der unvermeidlichen Ruchlosigkeit menschlichen Verhaltens. »Was erwartet Ihr denn, wenn Ihr Gesindel befragt?«
»Das Gesindel, wie Ihr es nennt, hat ebenfalls behauptet, Ihr hättet grausam gemordet -«
»Das geht zu weit!«, wehrte Jeronimus entrüstet ab. »Das nehme ich nicht hin. Haben sie Euch etwa Beispiele genannt, die Namen irgendwelcher Menschen erwähnt, die ich getötet hätte?
Nein, nicht wahr? Da ist ihnen niemand eingefallen. Das Einzige, was Ihr mir anlasten könnt, ist, dass ich nicht eingegriffen habe. Ich habe Dinge geschehen lassen, das ist wohl richtig. Ich hatte keine Wahl. Das versteht Ihr doch, Herr Kommandeur, oder nicht?«
Abermals erschien ein Ausdruck heimlichen
Einverständnisses auf seiner Miene.
Treib es nicht zu weit, hätte Francois ihn am liebsten gewarnt, doch stattdessen lehnte er sich scheinbar gefasst zurück und
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fragte: »Gibt es denn jemanden, der Eure Geschichte untermauert?«
»Aber ganz gewiss«, erklärte Jeronimus im Brustton der Überzeugung. »Frau van der Mylen wird das tun.«
Francois' Blick wurde starr. »Was hat Frau van der Mylen mit diesen Machenschaften zu tun?«
»Nun, sie wird Euch bestätigen, dass ich alles daran setzte, um sie zu schützen. Für sie habe ich mehr gewagt als für mich.
Überdies kann sie bezeugen, dass ich wertvollen Besitz der Companie in Gewahrsam nahm, auf dass er nicht in die falschen Hände fiel.«
Jeronimus blickte sich triumphierend um. »Inmitten der Barbarei habe ich das Leben von Menschen und wichtige Teile der Fracht gerettet, und -«
»Ich werde sie befragen«, schnitt Francois ihm das Wort ab.
»Sowohl Frau van der Mylen als auch Aris Janz. Jedoch nicht mehr heute. Für heute ist es genug.« Er gab
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