Zorn der Meere
sich flüstern.
Wiebe schloss die Augen und blieb stumm.
Ihm war nicht danach zu Mute, sich mit Wouter zu unterhalten, denn ihn "beschäftigten seine eigenen Gedanken.
Vor kurzem hatte er entdeckt, dass Judith sich gelegentlich mit dem blonden Jonker unterhielt. Wie hieß er gleich? Van Huyssen, richtig. Warum macht mir dieser Anblick derart zu schaffen? fragte Wiebe sich. Judith würde sich ohnehin nie mit ihm einlassen. Selbst wenn sie es wollte, wäre ihr Vater rasch zur Stelle, um dergleichen zu unterbinden. Der gute Herr Pfarrer träumte offenbar davon, einen Kadetten mit einer Zukunft als Unterkaufmann zum Schwiegersohn zu bekommen.
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Wouter stieß Wiebe an.
»Hast du vorhin die Geschichte von dem Kommandeur gehört?«, fragte er leise.
Wiebe öffnete die Augen. »Dergleichen höre ich mir grundsätzlich nicht an«, brummte er.
»Was ist, wenn es stimmt?«
»Wenn es stimmt, hat der Kommandeur Glück gehabt. Dann gibt es wenigstens einen, dem es an Bord gefällt. Oder meinetwegen auch zwei.«
»Du hast also doch zugehört.«
»Lass mich zufrieden, Wouter.«
»Weißt du, was ich jetzt für eine Frau gäbe?«, fragte Wouter.
»Das geht uns allen so«, antwortete Wiebe. »Vergiss es einfach, das ist am besten.«
»Ich wäre aber lieber an der Stelle des Kommandeurs.«
»Dann schlaf und träum davon«, empfahl Wiebe.
Wouter hat nicht ganz Unrecht, dachte Wiebe.
Flottenpräsident zu sein wäre nicht übel. Zumindest besäße er dann eine eigene Kajüte, in der die schöne Frau van der Mylen anstelle von Wouter Loos ihn am Schlafen hinderte.
Ehe er sich der Gesellschaft angeschlossen hatte, war Jeronimus Apotheker gewesen, hieß es. Das kann man noch immer sehen, dachte Zwaantie.
Sie ließ ihre Blicke über die Gläschen und Fläschchen gleiten.
Als sie die Bücherberge erspähte, bekam sie einen Schreck. Er ist Alchimist, überlegte sie, wahrscheinlich liest er sogar die verbotenen Bücher der Mauren. Dann stimmte es wahrscheinlich auch, was die anderen über ihn sagten. Er hatte sich finsteren Mächten angeschlossen. Sogar dem Frevler Torrentius sollte er angehangen haben. Nur der Kapitän behauptete, derlei Geschwätz sei Unfug. Er hielt Jeronimus für einen Mann, der es lieber mit Männern trieb als mit Frauen.
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Als Zwaantie in Jeronimus' Augen las, erkannte sie, dass der Kapitän sich in diesem Punkt ausnahmsweise einmal irrte.
Jeronimus hatte offenkundig Lust auf ein Hinterteil, doch gewiss nicht auf das eines Knaben.
»Was willst du von mir?«, hub Jeronimus an. Er lehnte sich im Stuhl zurück und taxierte Zwaantie von oben bis unten.
»Der Skipper schickt mich«, erwiderte sie. »Er will, dass Ihr mir etwas gebt.«
Jeronimus grinste hämisch. »Wird es dir langsam bange?«, fragte er.
Als er Zwaanties Schmollmund sah, lachte er schallend auf.
»Du führst ein recht munteres Leben, nicht wahr? Was würde wohl deine Herrin sagen, wenn sie wüsste, was du von mir willst?«
Zwaantie nagte trotzig an ihrer Unterlippe.
»Ist schon gut«, bemerkte Jeronimus. »Ich kann schweigen.«
Er wandte sich um, zog an seiner Reisetruhe eine Lade auf und entnahm ihr ein Fläschchen.
»Das trinkt man am besten gleich nach der Vereinigung«, erklärte er. »Später ist immer zu spät.«
Nach der Vereinigung*., dachte Zwaantie verächtlich. Er sollte ihr nur nicht so hochgestochen kommen mit seinem lüsternen Blick.
»Ich habe kein Geld«, erwiderte sie finster.
Jeronimus machte eine wegwerfende Geste. »Es ehrt mich, dem Kapitän zu Diensten zu sein. Vergiss aber nicht, ihm dies auch zu auszurichten. Vielleicht kommt der Tag, an dem er sich revanchiert.«
Zwaantie zuckte die Achseln. Der Skipper war reichlich knauserig. Da konnte er einem anderen ruhig einen Dienst für sie schulden. "Es wunderte sie allerdings, dass sich selbst dieser eigenartige Jeronimus um Jacobs' Wohlwollen bemühte.
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Zwaantie wollte sich bereits abwenden, als Jeronimus ihr mit einem Fingerzeig zu bleiben gebot.
»Einen Moment, mein undankbares Fräulein«, hub er an.
»Eines interessiert mich noch, ehe du wegrennst. Weiß Madame van der Mylen eigentlich, was du hinter ihrem Rücken treibst, oder nicht?«
Zwaanties Augen funkelten wütend. »Geht sie das denn etwas an?«, fragte sie.
»Ich denke schon«, entgegnete Jeronimus.
Zwaantie studierte seine Miene. Der Kapitän könnte ihm mit einer Hand den Hals brechen, dachte sie. Wie kam es nur, dass sie wusste, dass er das dennoch nicht wagen
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