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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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würde?
    »Sie will nicht einmal, dass ich mit ihm rede«, antwortete sie widerwillig.
    »Eine gestrenge Dame«, meinte Jeronimus. »Was sagt denn der Kapitän zu diesem Verbot?«
    »Er sagt, ich solle mich widersetzen.«
    Jeronimus erhob sich und trat auf Zwaantie zu.
    Als er seinen Arm um ihre Taille legte, glaubte sie, er wolle sich nun doch die Bezahlung für sein Arzneifläschchen holen.
    Jeronimus führte jedoch lediglich seine Lippen an ihr Ohr und flüsterte: »Bist du es nicht leid, einer feinen Dame zu dienen?«
    Er schaute sie prüfend an. »Du kämmst ihr die Haare«, fuhr er fort, »du kleidest sie an, legst ihr die Perlen um... Wie sieht es denn mit deinen Kleidern aus, Zwaantie? Hast du schon jemals Perlenketten besessen?«
    »Ich bin ja auch keine feine Dame«, erwiderte Zwaantie grollend.
    »Und wieso nicht?«, hakte Jeronimus nach. »Ist das nicht nur eine Frage des Zufalls? Eure Herrin stammt von einem einfachen Tuchhändler ab. Sie ist über Nacht reich geworden.
    Durch einen Akt des Schicksals gewissermaßen.«
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    »Aber ich bin schöner als sie«, trumpfte Zwaantie auf. »Das hat der Skipper geschworen.«
    »Wie Recht er hat! Er wird dich eines Tages zu einer feinen Dame machen, Zwaantie. Das hat er mir nämlich anvertraut.«
    Zwaantie blinzelte verwirrt. Bisher hatte sie angenommen, der Skipper verspräche ihr das nur, weil er sie haben wollte, doch wenn er auch anderen davon erzählte, war vielleicht etwas Wahres daran.
    Jeronimus gab Zwaantie einen kleinen Klaps auf ihr Hinterteil. »Auf dich warten große Dinge«, versprach er, während er die Tür öffnete.
    Er muss etwas wissen, was ich nicht weiß, dachte Zwaantie im Hinausgehen. Seine Worte klingen fast wie eine Verheißung, die sich bald erfüllt.
    Andries de Vries war einer jener bleichen
    Kaufmannsgehilfen, die ihre Tage meist unter Deck verbrachten, wo sie damit beschäftigt waren, die Dokumente der Companie je achtmal sorgfältig zu kopieren.
    Lucretia war deshalb erstaunt, den jungen Mann ins Freie taumeln zu sehen. Er rieb sich die Augen und blinzelte mehrmals, um sich an das Sonnenlicht zu gewöhnen.
    Sie hatte bisher nur selten mit ihm gesprochen, und wenn, so war ihr hauptsächlich aufgefallen, wie verlegen er war.
    Nun stellte sie fest, dass Andries jemanden zu suchen schien.
    Als er sie erblickte, wurde er feuerrot.
    »Madame«, murmelte er, und trat mit gesenktem Kopf vor sie hin. »Ob ich Euch wohl für einen Moment sprechen dürfte?«
    Wie ein geprügelter Hund steht er da, dachte Lucretia.
    »Natürlich, Andries, um was geht es denn?«, erkundigte sie sich mitleidig.
    Andries schluckte und mahlte heftig mit dem Kiefer.
    »Nun, heraus mit der Sprache«, ermunterte Lucretia ihn.
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    »Ich weiß nicht, wie ich beginnen soll, Madame«, stammelte Andries, noch stärker errötend.
    »Hat dir jemand ein Leid zugefügt? Benötigst du meine Hilfe?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Lucretia ermahnte sich zur Geduld.
    »Mir fehlen die rechten Worte«, hub Andries an. »Ich habe zudem Angst, dass Ihr mir zürnen werdet.«
    Lucretia spürte, dass ihr unbehaglich zumute wurde. Offenbar hatte er etwas auf dem Herzen, das auf unangenehme Weise sie selbst betraf.
    »Auf dem Schiff... auf dem Schiff wird geredet«, stotterte Andries. »Ich fand, Ihr solltet das wissen.«
    »Bezieht sich dieses Gerede denn auf mich?«
    Andries nickte.
    »Und worum dreht es sich dabei?«
    Andries' Gesicht leuchtete in tiefstem Scharlachrot. »Es geht um Euch und den Kommandeur.«
    Lucretia stockte der Atem. »Wie bitte?«, fragte sie leise. »Das kann nicht - darf doch nicht sein!«
    Andries versuchte, ihrem Blick auszuweichen. »Sie sagen, dass Ihr zu viel Zeit mit ihm verbringt.«
    Lucretia wollte im ersten Moment aufbrausen und wütend werden, doch dann verbiss sie sich ihre Worte. Andries kann ja nichts dafür, dachte sie, und außerdem steckt in jeder Lüge ein Körnchen Wahrheit. Gewiss, sie hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, und dennoch - gänzlich unschuldig war sie nicht. Sie hatte Francois' Gesellschaft gesucht, vertraulich mit ihm gesprochen, ihn ermutigt und seine Geständnisse zugelassen. Und wenn sie nun schon dabei war, ehrlich zu sein, warum sich dann nicht auch eingestehe n, dass auch die andere Frage sie beschäftigt hatte? Zwar hatte sie nicht direkt Pläne
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    geschmiedet, jedoch ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Wie töricht sie gewesen war zu glauben, dass ihr Verhalten unbeobachtet bliebe! Das hatte sie nun

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