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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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heftiger zu atmen begann, lächelte er triumphierend.
    »Du Schöne«, bemerkte Conrad leise. »Du magst mich, nicht wahr?«
    Judith nickte gegen ihren Willen.
    Conrad führte seine Lippen an Judiths Ohr. »Keine Bange, mein Schatz, wir werden uns bald wieder sehen«, flüsterte er.
    Dann wandte er sich um und verschwand.
    Judith schaute ihm mit klopfendem Herzen nach.
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    Ich mag ihn wirklich, gestand sie sich beklommen ein. Er gefällt mir sogar, wenn er gotteslästerlich spricht.
    Lucretia hatte in der Nacht kaum geschlafen. Jedes Mal wenn der Schlaf sie zu übermannen drohte, war sie hochgefahren und hatte sich furchtsam umgeblickt. So verhielt sie sich bereits seit der Nacht des Überfalls. Es war indes nicht allein die Angst vor einem neuerlichen Angriff, die sie beherrschte, sondern sie schreckte auch vor ihren Träumen zurück, dunklen, schweren Träumen, in denen sie diese eine entsetzliche Nacht wieder und wieder durchlebte.
    Wenn Lucretia aus solchen Träume n erwachte, begann sie sich zu quälen, indem sie sich vorhielt, sie hätte sich mutiger wehren, hätte entschlossener kämpfen müssen, um das, was man ihr antat, zu verhindern. Dann stiegen ihr auch die Gerüche wieder in die Nase: der stinkende Atem und der Schweiß, das Gemisch aus Kot und Teer.
    Seit Beginn der Reise war Lucretia isoliert gewesen, doch mittlerweile fühlte sie sich ausgestoßen. Sie war gezeichnet, wie aussätzig. Sie gehörte nicht mehr dazu. Dabei wusste Lucretia nicht einmal, ob man sie aus Verachtung oder Unbehagen mied.
    Doch eigentlich spielte das auch keine Rolle, sagte sie sich. Im Grunde wollte sie ja für sich bleiben und den Blicken der anderen ausweichen, denn der Gedanke, dass ein Mann - dass einer von denen - sie ansah, war ihr unerträglich.
    Seit wie vielen Tagen sie sich auf dieser Felseninsel befand, wusste Lucretia nicht. Auch ihr Gefühl für Zeit hatte sie in jener Nacht verloren. Ihr war zudem nicht klar, wann sie zuletzt gegessen hatte, doch Hunger verspürte sie nicht. Wasser trank sie, wenn man es ihr reichte. Ob sie überleben würde, fragte Lucretia sich nie. Sie kam sich vor wie in einem Theaterstück; sie war die traurige Gestalt, wegen der man seufzte und weinte.
    Nur gelegentlich, wenn Lucretia einmal den Blick über ihre Umgebung wandern ließ, empfand sie, dass sie in einer heillosen
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    Landschaft namens Niemehrland angekommen war. Bisweilen zupfte sie eine der armseligen Blumen aus, die unscheinbare Blüten entfalteten. Sie drehte sie abwesend zwischen den Fingern hin und her, ehe sie ihr wieder entglitten. In dieser Welt gibt es keine Schönheit, ging es Lucretia dann durch den Sinn.
    Sie ist erloschen, fort, abgewandert.

    Vierundzwanzig Grad und drei Minuten südlicher Breite Eine lang gezogene, schaumbekränzte Woge hob sie empor und rückte sie ein Stückchen weiter auf das Große Südland zu, das wie ein schwarzer Schatten am Horizont lag.
    Francois' Herz zuckte und zog sich zusammen. Erregung übermannte ihn. Vielleicht gab es dort in dem Schattenland tatsächlich eine Möglichkeit, Wasser zu finden. Vielleicht schaffte er es danach, den Kapitän zu überreden, zu dem Wrack und der Insel zurückzurudern.
    »Seltsam«, begann Halfwaack, indem er seinen Blick auf Jacobs richtete, »wir sind kaum mehr als fünfzig Meilen von der Batavia entfernt.«
    Der Kapitän erwiderte nichts.
    Francois schaute zu Jacobs hinüber. »Wenn dem so ist«, stichelte er, »ist die Geschichte von den sechshundert Meilen Unsinn gewesen.«
    Jacobs zuckte die Achseln.
    »Damit wäre endgültig bewiesen, dass Ihr auf das Houtmans Riff aufgelaufen seid«, fuhr Francois unnachgiebig fort.
    »Meint Ihr nicht, das Thema wäre erschöpft?«, erwiderte Jacobs kalt.
    »Welches war unsere letzte Position?«, wandte Francois sich an Claas Gerritz, der daraufhin Halfwaack fragend anschaute.
    »Dreißig Grad«, knurrte dieser. »Nordnordost.«
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    »Die Anweisung des Gouverneurs lautete, nicht weiter als tausend Meilen nach Osten zu segeln, ehe wir uns nach Norden wenden«, erklärte Francois. »Ihr seid zu weit vorgedrungen, Jacobs, und deshalb sind wir auf dem Riff gelandet.«
    »Das reicht!«, knurrte Jacobs ungehalten. »Ich lasse mich von Euch nicht eines Besseren belehren.«
    »Das mag ja sein«, gab Francois zurück, »doch war es auch klug, dieselbe Haltung gegenüber dem Befehl des Gouverneurs einzunehmen?«
    »Eines Tages«, hub Jacobs seufzend an, »wenn wir die Entfernung zwischen Osten und Westen so

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