Zorn des Loewen
hinuntergehen und uns ein wenig mit dem geschmuggelten Brandy unseres Freundes Owen befassen. Wir können dort alles weitere abwarten.«
Mit einem leicht glucksenden Lachen ging er voran durch das Tor auf die schmale, staubbedeckte Straße, die in der Abenddämmerung hell vor ihnen lag.
»Wissen Sie mehr über ihn, Hamish?« fragte Anne gefaßt. »Ich muß es alles wissen.«
»Über Neil Mallory?« Der alte Grant hob die Schultern. »Ein hervorragender Fallschirmjägeroffizier. Erstklassige Zeugnisse im Krieg, etliche Male ausgezeichnet. Nachher in Palästina, Malaya, eine andere Art von Krieg. Ging '51 nach Korea, wurde verwundet und irgendwo auf dem Imjin gefangengenommen. Zwei Jahre lang Gefangener.«
»Und was dann?«
»Allem Anschein nach gehörte er zu der Sorte von Männern, vor denen die Leute Angst haben, besonders die Vorgesetzten. Ein bißchen wie Lawrence oder Orde Wingate, Gott sei seiner Seele gnädig. Die Sorte von verzweifelten Exzentrikern, die sich mit dem Soldatenleben, wie es Friedenszeiten mit sich bringen, nicht wirklich abfinden können.«
»De Beaumont sagt, daß er Colonel gewesen ist. Er muß damals sehr jung gewesen sein.«
»Vermutlich der jüngste zu seiner Zeit. Er schrieb 1953 das Buch: ›Ein neues Konzept der revolutionären Kriegsführung‹ für das Kriegsministerium. Das hatte eine Menge Aufsehen erregt. Die meisten Leute dachten, er hätte sich zum Kommunisten gewandelt. Er zitierte viel aus Mao Tsetungs Buch über Guerillataktik, so als wäre es eine Bibel.«
»Was geschah weiter?«
»Er wurde nach dem Koreakrieg zum Oberstleutnant befördert. Sie mußten irgend etwas finden, um ihn zu beschäftigen. Deshalb schickten sie ihn nach Malaya. Die Dinge standen dort zu jener Zeit nicht so günstig. In vielen Gebieten kontrollierten die Kommunisten wirklich alles. Sie gaben ihm den Befehl über ein paar örtliche Truppen. Man konnte es nicht wirklich als Regiment bezeichnen. Nicht mehr als hundert Mann. Ziemlich schwierig damals, Soldaten zu rekrutieren. Kleine, stämmige malayische Bauern direkt aus den Reisfeldern. Ich kenne den Typus.«
»Waren sie gute Kämpfer?«
»Innerhalb von drei Monaten waren sie sicher die furchtbarste Dschungeltruppe in Malaya. Nach sechs Monaten erwiesen sie sich als so wirkungsvoll, daß man ihnen schon einen Spitznamen verlieh: ›Mallorys Tiger‹.«
»Und was geschah in Perak?«
»Der Höhepunkt des Dramas oder der Tragödie, wenn du willst, denn das war es wirklich. Zu jener Zeit war Perak voll von kommunistischer Guerilla, besonders an der Grenze nach Thailand. Die Befehlshaber beorderten Mallory dorthin, um sie ein für allemal hinauszuschmeißen.«
»Und er tat es?«
»Ich glaube, daß man das sagen kann. Aber als er seine Aufgabe erfüllt hatte, hatte er sich auch einen neuen Namen verdient.« »Der Schlächter von Perak?«
»Genau. Ein Mann, der befohlen hatte, Gefangene zu erschießen, der unter Folter Gefangene ausquetschte, die seiner Obhut anvertraut waren. Ein Mann, dem man nachwies, daß er mit gezielter und kaltblütiger Grausamkeit gehandelt hatte.«
»Er wurde daraufhin hinausgeworfen?«
»Eben nicht. Das hätte nämlich auch andere mit betroffen. Nein, sie gaben ihm einfach den Abschied, lieferten der Presse die übliche Story, ließen verlauten, daß er sich nie von den Erlebnissen in den Händen der Chinesen erholt hätte und so weiter. Kein Mensch war in der Lage, das Gegenteil zu beweisen, und die Sache verlief sich.«
Sie saß eine Zeitlang still und starrte in das Feuer. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Der Mann, den du beschrieben hast, muß ein Ungeheuer gewesen sein. Neil Mallory ist aber nicht so, dessen bin ich sicher.«
Er legte seine Hand auf die ihre. »Du fühlst dich von ihm angezogen, nicht?« Sie gab keine Antwort, und er seufzte. »Gott weiß, daß es mal geschehen mußte. Ist schon lange her, daß Angus von uns ging, Anne. Eine lange, lange Zeit.«
Die Tür wurde geöffnet und Jagbir trat ein, Mallory dicht hinter ihm. »Mr. Mallory ist hier, General.«
Hamish Grant richtete sich in seinem Sessel auf und sagte mit ruhiger Stimme: »Führe Colonel Mallory herein, Jagbir.«
Mallory hielt auf der Türschwelle überrascht inne, sein Gesicht war blaß, und die dunklen Augen zeigten keine Regung. »Wer hat Ihnen das erzählt?«
»De Beaumont«, erklärte der General. »Als er Chef der französischen militärischen Aufklärungsabteilung
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