Zorn des Loewen
Wellenbergen, die Geschwindigkeit um die Hälfte verringert, und hinter ihnen kam das Dröhnen des Schnellbootes unüberhörbar näher.
»Wir werden es niemals bis zum Hafen schaffen«, schrie Guyon. »In ein paar Minuten werden sie uns sehen.«
Über Steuerbord hob sich eine mächtige Woge. Als sie hereinbrach und das Boot hoch in die Luft hob, erhaschte Mallory einen Blick auf Hamish Grants Haus, das sich behaglich in einer Bodensenke auf der Spitze der Klippen versteckte und in dem in einem Erdgeschoßzimmer Licht brannte. Er warf die Ruderpinne herum, und die Strömung trieb das Boot mit ungeheurer Geschwindigkeit auf die Klippen zu.
Der Durchbruch zu der kleinen Bucht unterhalb der Terrasse war gute zwanzig Meter breit, aber der Zugang war durch die Reihe schroffer Felsspitzen blockiert, die so sicher wirkten wie ein Stahlgitter. Die einzige, geringe Hoffnung war, daß die Wellen, die heranrollten, den Wasserspiegel so anheben würden, daß sie in dem Dingi über die Felsen hinweggetragen würden.
»Das wird jetzt ein bißchen ungemütlich werden«, rief Mallory zu Guyon hinüber. »Halt dich fest und sei schwimmbereit.«
Der Franzose schaute sich um und bewegte seine Lippen zu einer Antwort, die von der tosenden See jedoch verschluckt wurde. Mallory hielt die Ruderpinne mit beiden Händen fest. Unerklärliche, wirbelnde Strömungen rissen sie herum und zerrten das leichte Boot mit sich.
Die Öffnung der kleinen Bucht tat sich plötzlich vor ihnen auf, das Wasser brodelte in einem ungeheuren Sog hindurch. Auf einer Seite schäumte weißer Gischt hoch in die Luft, während sich um sie herum dort schmutzige Schaumflecken bildeten, wo die Felsspitzen aus dem Wasser herausragten.
Das Boot trieb mit der Breitseite auf die Felsen zu. Es wurde hochgehoben und dann auf eine breite, grüne Felsplatte geschmettert. Die Ruderpinne wurde Mallory aus den Händen geschlagen und der Außenbordmotor samt einem Teil des Bootshecks herausgerissen.
Das Dingi rutschte vorwärts über das Riff und lief auf einen Felsen auf, dessen gezackte Spitze sich in den Rumpf bohrte. Guyon stürzte mit einem Schrei kopfüber in die tosenden Wellen. Mallory sprang ihm nach.
Der Franzose versuchte verzweifelt, Boden unter die Füße zu bekommen. Mallory tauchte durch die kochende Brandung und hielt seine Hände ausgestreckt, um Guyon zu fassen. Einen kurzen Augenblick lang konnten sie sich aneinander festhalten, dann brach eine neue Welle über das Riff herein und riß sie auseinander.
Guyon wurde unter Wasser gezogen. Mallory hechtete ihm nach und bekam ihn am Kragen seiner Jacke zu fassen. Mit kraftvollen Beinschlägen und der Unterstützung durch die Strömung gelang es ihm, auf das Ufer zuzutreiben bis er Boden unter den Füßen fühlte. Er richtete sich auf, hielt Guyon immer noch fest, während das Wasser bis zu den Hüften aufschäumte und an ihren Gliedern zerrte. Als es zurückströmte, taumelten sie weiter, und ihre Füße rutschten im Kies. Dann erreichten sie endlich schwankend den schmalen Strand am Fuß der Klippen. Jemand saß am Flügel und spielte ein altes Cole-Porter-Stück aus der Zeit vor dem Krieg. Ein Stück, das Worte wie ›Nacht‹, ›Wärme‹, ›Liebe‹ und ›Hoffnung‹ enthielt, Begriffe, die zu einer anderen Zeit als der jetzigen gehörten.
Sie krochen durch das Buschwerk unterhalb der Terrasse. Mallory verfing sich für einen Moment darin, unfähig, sich vor- oder zurückzubewegen. Neben ihm stöhnte Guyon, hustete und spuckte Wasser. Mallory zog ihn hoch, und sie taumelten zusammen die Stufen hinauf.
Die Terrassentür war halb geöffnet. Ein Zipfel des roten Samtvorhangs wurde herausgeweht, als er von einer Windbö erfaßt wurde. Mallory holte noch einmal tief Atem, dann stieß er die Tür weit auf.
Das Feuer flackerte hell im Kamin. Hamish Grants Haar glänzte silbern. Er lehnte in seinem Ohrensessel und rauchte eine dieser schwarzen Zigarren. Anne saß ihm gegenüber und starrte in das Feuer, während Fiona am Flügel saß und spielte.
Fiona bemerkte die Gäste zuerst; sie schnappte nach Luft, ihre Hände griffen einen falschen Akkord; dann sprang sie auf. Anne erhob sich sehr langsam. Der General wandte seinen Kopf zu ihnen hin.
»Wir bitten um Verzeihung«, sagte Mallory und trat näher, ein Arm lag immer noch um Guyons Schulter.
Guyon würgte plötzlich und begann erneut zu husten. Mallory führte ihn zu einem Sessel in der Nähe des
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