Zorn des Loewen
halb geschlossen, die rechte Gesichtshälfte geschwollen und von einer blutunterlaufenen Prellung entstellt. Er starrte Mallory reglos an.
Sie glitten in den finsteren Eingang hinein. Mallory fröstelte, als die feuchte, kühle Luft an ihm hochkroch. Dann lag die Höhle vor ihnen. Sie maß von einem Ende zum anderen etwa einhundert Meter und war ungefähr siebzehn Meter breit. Unterhalb der Wasseroberfläche war sie, wie er schon früher herausgefunden hatte, noch breiter.
Die lange, steinerne Mole wurde von zwei Bogenlampen taghell erleuchtet. Sie glitten daran entlang und machten hinter einer herrlichen Dreizehn-Meter-Jacht fest. Auf deren Heck prangte der Name Fleur de Lys.
Das U-Boot lag am anderen Ende vertäut, gedrungen und
schwarz und wirkte noch kleiner, als Mallory es sich vorgestellt hatte. Etwa ein Dutzend Männer in französischen Marineuniformen arbeitete geschäftig und lud unter Aufsicht eines schlanken, jungenhaft wirkenden Leutnants mit Schirmmütze und Matrosenjacke Vorräte an Bord. Als sie die kurze Leiter zur Anlegestelle hinaufstiegen, trat er vor und grüßte de Beaumont salopp.
»Wie stehen die Dinge, Fenelon?« erkundigte sich de Beaumont. »Irgendwelche Schwierigkeiten?«
Fenelon schüttelte den Kopf: »Wir werden pünktlich fertig sein.«
»Gut. Ich werde Ihnen um 9 Uhr morgen früh letzte Anweisungen geben.« Fenelon ging zu seinen Männern zurück. De Beaumont wandte sich an Mallory: »Ist es nicht herrlich? Und haargenau das, was wir für unsere Zwecke benötigen. Klein, kompakt – bedarf nur einer Besatzung von sechzehn Mann. Ist Ihnen der Typ bekannt?«
»Nur auf dem Papier.«
»Dies hier hat eine interessante Geschichte: gebaut bei der Deutschen Werft, 1945, sank einen Monat nach Indienststellung mit der gesamten Besatzung; nachdem man es gehoben hatte, wurde es den Franzosen übergeben.«
»Und jetzt gehört es Ihnen«, bemerkte Mallory. »Eine wechselvolle Karriere.«
Ein menschlicher Körper, der mit einer Persenning zugedeckt war, lag auf der jenseitigen Mauer. Die Füße, die noch in den Schwimmschuhen steckten, waren seitwärts geneigt, und die Lache aus Meerwasser, in der der Leichnam lag, war blutdurchtränkt.
»Den anderen haben wir nicht gefunden. Er ist wahrscheinlich von der Strömung in das Riff hineingerissen worden.« De Beaumont schüttelte angeekelt den Kopf. »Eine widerliche Art zu sterben.«
Diese Worte schienen eine Drohung zu beinhalten, aber Mallory ließ sich nicht herausfordern. De Beaumont lächelte leicht und führte sie zu einer steinernen Treppe, die sich mehr als dreißig Meter in das Halbdunkel hinauf erstreckte und dabei an der Höhlenwand einen weiten Bogen beschrieb. Sie stiegen die Stufen empor und gelangten zu einem Treppenabsatz, wo de Beaumont in einen Gang einbog und sie hindurchführte. Dabei passierten sie etliche Türen, von denen einige offenstanden. Man erkannte schmale Schlafstellen, auf denen sauber zusammengelegte graue Decken lagen. Aus einem Seitengang drangen Küchendüfte.
De Beaumont öffnete eine weitere Tür, und ein großer Saal tat sich vor ihnen auf. Mächtige, gebogene Eichenbalken wölbten sich über ihnen ins Dunkel. Eine breite Marmortreppe führte nach oben, darüber erstreckte sich eine Galerie. Auf der einen Wandseite erhob sich ein überdimensionaler, mittelalterlicher Kamin, in dem mit dicken Holzscheiten ein Feuer geschürt wurde.
»Ein herrlicher Anblick, was? Das Geld, das diese viktorianischen Industriellen nur zum Verschleudern gehabt haben müssen! Und dann, jeder Stein mit dem Schiff hierhergebracht.«
Seine Stimme klang gelassen, höflich. Man hätte ihn für einen selbstgefälligen Gastgeber halten können, der einem Freund sein neues Haus zeigt. Sie stiegen die Stufen hinauf und gingen auf der Galerie entlang, bis sie an eine Tür stießen, hinter der sich eine schmale Wendeltreppe verbarg. De Beaumont ging voran. In Abständen kamen sie an Fensterschlitzen vorüber, die einen weiten Blick auf das Meer freigaben, während sie immer höher stiegen, Auf einem Treppenabsatz blieben sie vor einer Tür stehen. De Beaumont öffnete sie und ging hinein. Er ließ die Tür angelehnt, so daß man sehen konnte, daß sich in dem Raum eine große Anzahl elektronischer Geräte befand. An einem Funkapparat saß mit übergestülpten Kopfhörern ein Mann, der sich erhob, als de Beaumont eintrat. Das Murmeln einer angeregten Unterhaltung drang nach draußen, dann
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