Zorn des Loewen
Mantelkragen, zerrte ihn vor und rammte ihm die Mündung an die Kehle.
Einen Augenblick lang herrschte absolute Stille. Dann lachte de Beaumont leise auf. »Wissen Sie, unsere Freunde in Paris machen sich schon seit geraumer Zeit Gedanken über Sie, Guyon. Jetzt verstehe ich, warum. Sie lassen nach. Ich hätte angenommen, daß ein Offizier mit Ihrer Erfahrung zu unterscheiden gewußt hätte zwischen dem Gewicht eines Revolvers, der mit leeren Hülsen und einem, der mit echter Munition geladen ist.«
Er griff Guyons Hand und entwand ihm den Revolver. Guyon schaute Mallory mit gequältem Gesichtsausdruck an. »Manchmal kann man auch zu schlau sein wollen, mein Freund.«
»Nett, dich wieder auf unserer Seite zu haben«, meinte Mallory. De Beaumont öffnete die Tür und nickte Marcel zu. »Begleite ihn hinunter und paß gut auf ihn auf. Ich schicke Colonel Mallory später nach.«
Er schloß die Tür hinter ihnen, wandte sich wieder Mallory zu und lächelte. »Jetzt, da wir wieder alle wissen, wo wir stehen, können wir es uns vielleicht für eine halbe Stunde gemütlich machen.« Er nahm eine Flasche und zwei Gläser aus einem Schrank und begab sich wieder zu seinem Sessel. »Dies hier ist wirklich ein besonders guter Cognac. Ich glaube, Sie werden ihn genießen.«
Mallory saß ihm im Sessel gegenüber und spürte Jacaud in seinem Rücken. Er war gespannt auf das, was nun kam. Er nahm das Glas Cognac entgegen, nippte daran und lehnte sich zurück. »Ich kann nicht begreifen, was Sie sich von alldem erhoffen. Morde und Mordanschläge werden Ihnen auch noch die letzte geringe Unterstützung, über die Sie verfügen, nehmen.«
»Das ist wohl eine Sache der Einstellung«, stellte de Beaumont klar. »Die einzige Art Politik, die in unserer modernen Welt verstanden zu werden scheint, ist die Politik der Gewalt. Palästina, Zypern, Algerien sind Beispiele für Siege, die nur durch den Einsatz absichtlicher und geplanter Gewalt errungen wurden. Das können wir auch.«
»Die Umstände sind vollkommen anders. In den Fällen, die Sie aufgezählt haben, waren es nationalistische Elemente, die Kolonialmächte bekämpften. In Ihrem Fall sind es Franzosen, die Franzosen ermorden.«
»Sie sind des Namens unwürdig, die Schweine, mit denen wir es bisher zu tun hatten. Großmäuler, Berufsliberale und Ränke schmiedende Politiker, die sich ihr Nest gebaut haben, als ich und meinesgleichen in vietnamesischen Gefangenenlagern schmorten.« De Beaumont lachte bitter auf. »Ich erinnere mich noch zu gut an unsere Heimkehr. Wir wurden auf dem Weg nach Marseille hinein von kommunistischen Dockarbeitern beschimpft.«
»Uralte Geschichte«, stellte Mallory fest. »Will heute keiner mehr wissen. Jedenfalls würden die nicht verstehen, wovon Sie reden, es sei denn, sie hätten dieselben Erfahrungen gemacht.«
»Aber Sie haben sie doch gemacht«, bemerkte de Beaumont. »Ganz tief drinnen, glaube ich, wissen Sie, was ich meine. Sie haben Ihre bösen Lektionen von den Chinesen gelernt. Das haben Sie doch ganz kühl in Ihrem Buch dargestellt. Was passierte, als Sie es in die Praxis umsetzten?«
Er starrte ins Feuer, eine tiefe Falte zeigte sich auf seiner Stirn. »Daß es in Algerien anders zugehen würde, dessen waren wir uns sicher. Wir haben die ›Fellaghas‹ im ›Dschebel‹ des Atlas-Gebirges bekämpft, in der Glut der Sahara, in den Gassen von Algier, und wir waren dabei, sie zu besiegen. Ganz zuletzt hatten wir sie sogar an der Gurgel.«
Er wandte sich zu Mallory: »Ich habe an jener Verschwörung von Teilen der Armee am 13. Mai 1958 teilgenommen. Wir hatten keine andere Wahl. Man hätte mich und meine Freunde festgenommen, uns mit der falschen Beschuldigung von Greueltaten den Prozeß gemacht, der nur dazu gedient hätte, die Großmäuler und Mitläufer daheim in Paris zu befriedigen. Wir haben de Gaulle an die Macht gebracht, weil wir an die Idee eines französischen Algeriens geglaubt haben, an ein größeres Frankreich.«
»Und kaum hatte er die Machtkontrolle in seinen Händen, tat er genau das Gegenteil von dem, was Sie beabsichtigt hatten«, fügte Mallory hinzu. »Eine der großen Ironien der Nachkriegsgeschichte.«
De Beaumont nahm noch einen Schluck Cognac und fuhr fort: »Noch ironischer ist, daß ich, Philippe de Beaumont, Nachkomme einer der bedeutendsten Familien Frankreichs, mitgeholfen habe, dem Mann zur Macht zu verhelfen, der die Größe seines Landes zerstört
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