Zorn des Loewen
ein Teil von ihnen. Beinah, aber nicht ganz.«
»Was geschah danach?«
»Man schickte mich nach Algerien zurück, in eine der schlimmsten Regionen: ein Gebiet aus Stacheldraht und Furcht, wo Gewalttätigkeiten wie eine Seuche ausbrachen und Leben kein Akt des Glaubens mehr war. Ich wurde kurz vor General Challes fehlgeschlagenem Umsturzversuch letztes Jahr noch einmal verwundet. Nicht ernsthaft, aber schwer genug, um mir einen Grund zu liefern, unbezahlten Urlaub zu erbitten. In der Nacht bevor ich ging, kam Legrande vom ›Deuxième Bureau‹ in mein Hotelzimmer und bot mir den Job dort an.«
»Und du hast akzeptiert?«
»Es bot mir die Möglichkeit, dort wegzukommen. Später in Paris kamen dann O. A. S.-Agenten auf mich zu. Als ehemaliger Fallschirmjägeroffizier und Verfechter des ersten Staatsstreichs, der de Gaulle wieder zur Macht verhalf, schien ich eine naheliegende Wahl zu sein.«
»Und du hast Legrande davon unterrichtet?«
»Sobald ich mit ihm in Kontakt treten konnte. Das war das Komische. Ich brauchte nicht einmal selbst die Entscheidung zu treffen. Es war so, als ob sie schon für mich vorbereitet worden wäre. Er redete mir zu, das Angebot anzunehmen. Aus seiner Sicht war ein Agent mit meinen Kontakten natürlich sehr wertvoll.«
»Und trotzdem hat man uns so informiert, als hege das ›Deuxième Bureau‹ keinen ernsthaften Verdacht gegen de Beaumont. Du hast doch sicherlich irgendwelche Informationen durch deine Pariser Kontakte auf der anderen Seite über ihn sammeln können.«
»Nicht unbedingt. Ich arbeitete nur am Rande der Organisation. De Beaumont wurde als ein mit ihren Zielen übereinstimmender Mann gehandelt. Andererseits ist seine politische Haltung in Frankreich bekannt. Es gab jedoch keine Hinweise, daß er aktiver Kämpfer wäre.«
»Und in dieser ganzen Zeit hat man dich vollständig akzeptiert?«
»Das habe ich natürlich geglaubt. Als neueingestellter Mitarbeiter beim ›Deuxième Bureau‹ war klar, daß ich von ihnen nur begrenzt mit Informationen gespeist würde. Aber ich gab auf Legrandes Anweisung hin ausgewählte Informationen weiter. Natürlich bin ich an die wirklich dicken Fische nie herangekommen, aber ich habe daran gearbeitet. Zweimal erlaubte er mir sogar, einige aus den niederen Chargen zu warnen, als ihre Verhaftung bevorstand.«
»Was wußtet ihr über die Alouette? «
»Das war eine Sache, die uns von Anfang an verwirrte: Wir hatten nicht die leiseste Ahnung über ihren Schlupfwinkel, nicht einmal in O. A. S.-Kreisen. Daher hat Legrande mir aufgetragen, meine Pariser Kontakte darüber zu informieren, daß ich zu einer Routineüberprüfung de Beaumonts auf die Kanal-Inseln geschickt würde, um ganz sicherzugehen, daß er sich in der Zeit wohlverhalten würde. Legrande ging davon aus, daß dies ein für allemal beweisen würde, ob eine Beziehung zwischen ihnen bestünde oder nicht.«
»Das schien wohl nicht wichtig genug, um es uns mitzuteilen.«
»Das tut mir leid, aber Legrande lebt nie im Augenblick – nur in der Zukunft. Er sah eine mögliche Situation voraus, in der sich meine zusätzlichen Aktivitäten als nützlich erweisen konnten. Unter diesen Umständen schien es klüger, mich nur als Raoul Guyon vorzustellen, einen offiziellen Mitarbeiter des ›Bureau‹ und nichts weiter.«
»Man sieht, daß der alte Fuchs immer noch glaubt, die Karten so spielen zu können, wie sie fallen«, bemerkte Mallory. »Das zeigt sich in seinem Pokerspiel.«
»Diese Bemerkung deckt sich mit der, die er über dich machte, kurz bevor ich abgereist bin.«
Mallory grinste. »Mindestens ein positives Ergebnis ist dabei schon herausgekommen: De Beaumont hat zweifellos Verbindung zur O. A. S. in Paris; denn er wurde von deiner Ankunft in Kenntnis gesetzt. Doch eines verstehe ich nicht, warum er sich nicht gewundert hat, daß du ihnen nichts von der AlouetteAffäre erzählt hast.«
»Das war das erste, was er mich fragte, als er mit dem Boot herüberkam. Eine Frage, die schwer zu beantworten war.«
»Und wie hast du es getan?«
»Ich erzählte ihm, daß das ›Bureau‹ glaubte, daß die ganze Angelegenheit das Werk einer unabhängigen Gruppe wäre. Daß sich das für mich persönlich dadurch bestätigt hatte, daß sie selbst in O. A. S.-Kreisen offensichtlich unbekannt war und daß ich als ehemaliger Fallschirmjägeroffizier, der am Staatsstreich vom Juni 1958 teilgenommen hatte, nur um von de Gaulle betrogen zu
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