Zorn des Loewen
Roc.
»Da fährt sie hin.«
Guyon trat ans Fenster und schaute stirnrunzelnd hinaus. »Warum hat er die Foxhunter genommen?«
»Einfacher zu bedienen auf der kurzen Strecke als die Fleur de Lys, und für das Schnellboot ist zu hoher Seegang.«
Guyon dachte an Fiona, ließ die Zigarette zu Boden fallen und trat wütend darauf herum. »Seine letzte Bemerkung hat mich verärgert. Er klang zu selbstsicher, so als ob er ganz sicher sei, daß der General und die Frauen noch auf der Insel sind.«
»Ich gehe davon aus, daß er es weiß«, meinte Mallory. »Es war eine lange Nacht. Er hatte die Gelegenheit, alles Nötige zu unternehmen. Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Er wird sie vermutlich nur herüberholen, um sie in sicherem Gewahrsam zu haben, bis er sich davonmacht.«
»Da kannst du recht haben.«
»Ich denke an Henri Granville, der irgendwo in den Marschen der Gironde sitzt und nicht weiß, daß irgendwann nach Mittag jemand an seine Tür klopfen wird. Ich kann mir schon jetzt Jacauds Lächeln vorstellen.«
»Und es gibt nichts, was wir dagegen unternehmen können.«
»Es gäbe allerdings eine ganze Menge, wenn es uns gelänge, hier rauszukommen. Da ist immer noch der Funkraum im Turm oder die Fleur de Lys, die eine noch größere Hilfe wäre. Ein Boot ihrer Größe muß über ein Funktelefon verfügen.«
Guyon schüttelte den Kopf: »Dieses Sumpfgebiet ist einer der einsamsten Plätze hier an der Küste. Selbst wenn wir meine Leute in Paris erreichten, wäre es zu spät, um Henri Granville zu warnen. Sie würden nicht mehr rechtzeitig zu ihm vordringen können.«
»Aber uns könnte das gelingen«, warf Mallory ein. »Die Alouette mu ß die ganze Strecke unter Wasser zurücklegen. Dazu wird sie gute drei Stunden brauchen.«
»Es ist schon fast eine Stunde her, daß sie aufgebrochen sind«, machte Guyon Mallory aufmerksam.
»Die Fleur de Lys kann mit doppelter Geschwindigkeit fahren. Wir wären immer noch in der Lage, Jacaud zuvorzukommen.«
»Nur, wenn wir in der nächsten halben Stunde hier rauskommen«, stellte Guyon fest. »Ich habe schon lange aufgehört, an Wunder zu glauben.«
»Wir brauchen kein Wunder. Nur ein bißchen Glück.« Mallory zog ihn auf das Bett herunter. »Jetzt hör mir mal gut zu.« Es war kalt im Gang, und den jungen Matrosen fröstelte. Er stand auf und versuchte, durch Bewegung seinen Kreislauf wieder in Gang zu bringen. Dabei entfernte er sich ein paar Schritte von seinem Stuhl. Er war gelangweilt und auch ein bißchen verängstigt. Zu Anfang hatte die ganze Angelegenheit wie ein Abenteuer ausgesehen, wie eine Kreuzfahrt. Nun war er nicht mehr so überzeugt davon. Er kehrte zu seinem Stuhl zurück; da vernahm er einen gedämpften Schrei aus der Zelle. Er zuckte zusammen, und ein Ausdruck von Verwirrung lag auf seinem Gesicht. Ein weiterer Schrei ertönte und dann das Krachen eines umstürzenden Bettes. Er erreichte gerade rechtzeitig das Gitter, um mitanzusehen, wie Guyons Faust in Mallorys Gesicht landete und diesen an die Wand zurückwarf.
»Du hast mich hier mit reingezogen, du Schwein«, schrie der junge Franzose. »Dafür bring' ich dich um! Ich bring' dich um!«
Er stürzte sich erneut auf Mallory, der sich unter einem erneuten Hieb wegduckte, dann vorschnellte und Guyon ein Bein stellte. Einen Moment später kniete er auf dessen Brust. Er hatte die Hände um seinen Hals geschlungen und würgte ihn.
Der Matrose stieß einen Schreckensschrei aus. Er schob die Riegel zurück und lief in die Zelle, den Revolver in der rechten Hand. Er packte Mallory am Kragen. Zu seiner großen Überraschung sprang Guyon plötzlich auf, griff brutal nach seinem Handgelenk und entwand ihm den Revolver. Der Mund des jungen Seemanns öffnete sich zu einem Schrei, der jedoch durch Mallorys kurzen Haken an die Kinnlade erstickt wurde.
Mallory hob den Revolver auf, nickte Guyon zu, und sie stürzten rasch hinaus. Alles war ruhig. Guyon verriegelte die Tür, und sie liefen den Gang entlang.
Es herrschte eine eigentümliche Stille, bis sie den Hauptgang erreichten, wo sie entfernte Stimmen und das Klappern von Pfannen in der Küche vernahmen. Sie huschten weiter bis zum entgegengesetzten Ende. Mallory öffnete vorsichtig die Tür, und sie gelangten auf den Treppenabsatz, von wo sie die Höhle überblicken konnten.
Die Anlegestelle war menschenleer. Nur die Fleur de Lys und das Schnellboot lagen an der Mole vertäut. In höchster
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