Zorn: Thriller (German Edition)
auch immer er sein mochte – hatte Lasse Dahlis und Roman Vacek ermordet. Auch wenn er sich bei Letzterem den Job mit Viktor Larsson geteilt hatte. In beiden Fällen ging es um eiskalt ausgeführte Morde, aber wenn der junge Mörder seine Laufbahn damit angetreten hatte, Andrew Hamilton III. brutal niederzumetzeln, fielen diese Morde in eine andere Kategorie. Demnach hätte dieser junge Mann seine Mordprozedur innerhalb von fünf Jahren verfeinert, sein erhitztes Gemüt etwas gekühlt und den Vorgang beschleunigt.
Diejenigen, die er ermordet hatte, gehörten einer strenggeheimen Sektion bei der NATO an, die vor dreißig Jahren auf der Suche nach der perfekten Leitfigur das Empathiegen entdeckt hatte.
Wie absurd war das Ganze eigentlich?
Gar nicht mal so, kam es Hjelm in den Sinn. Man hatte sich damals wohl in blindem Aufrüstungseifer und ebenso blindem Technikoptimismus von dem Gedanken verführen lassen, einen Übermenschen zu erschaffen.
Denn darum ging es doch, oder?
Um die Erschaffung eines Übermenschen.
Paul Hjelm klickte die Bilder weg und begab sich in die Bürolandschaft. Die meisten seiner Mitarbeiter waren im Laufe des Tages wieder zurückgekehrt, Navarro war allerdings noch in den USA, und Söderstedt hatte er eine Pause von ein paar Tagen eingeräumt. Die restliche Opcop-Gruppe war jedoch anwesend.
Hjelm setzte sich neben das elektronische Whiteboard und rief: »Meeting.«
Alle versammelten sich um ihn.
Als Ruhe eingekehrt war, fragte er: »Meint ihr, dass ihr die Ermittlungen einigermaßen im Griff habt?«
Im Raum erhob sich ein unverständliches Murmeln.
»Ich weiß nicht recht, wie ich das deuten soll«, stellte Hjelm aufrichtig fest.
»Ziemlich wenige unserer Ergebnisse konnten bislang bestätigt werden«, meinte Kowalewski. »Es handelt sich wohl eher um einen Haufen wilder Hypothesen, aber nicht viel mehr.«
»Ich bin geneigt, dir zuzustimmen«, pflichtete Hjelm ihm bei. »Aber wenn man noch einen Schritt weitergeht, passt wiederum alles ziemlich gut zusammen.«
»Allerdings verstehe ich die Zusammenhänge in Stockholm immer noch nicht ganz«, bekannte Kowalewski. »Wenn dieser Mann vorhatte, euren Säufer zu töten, warum hat er dann diese Gewaltspirale mit Isli Vrapi arrangiert? Er hätte Lasse Dahlis doch ausschalten können, ohne auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Weil er die Aufmerksamkeit haben will«, entgegnete Hjelm. »Zwar keinesfalls so wie Viktor Larsson – er will kein politisches Statement abgeben –, aber sein Motiv ist ebenso persönlicher Natur, vielleicht sogar noch stärker. Ich habe den Eindruck, dass diesem Mann irgendetwas widerfahren ist. Also begann er, sein persönliches Leid zu rächen, und er ist von Mal zu Mal abgebrühter vorgegangen, wurde immer cleverer, und auch wenn er es in erster Linie auf Lasse Dahlis abgesehen hatte, würde ich Isli Vrapi nicht von seiner Rechnung streichen. Der Mord an ihm war eine Art Zeichen, ein Warnsignal. Aber wie gesagt, bislang sind das alles nur Spekulationen. Seid ihr der Meinung, dass wir diese Spekulationen beiseiteschieben und uns auf sicheren Boden zurückbegeben sollten?«
»Natürlich nicht«, antwortete Jutta Beyer. »Der Mörder ist ja immerhin existent. Gibt es Phantombilder?«
»Darauf komme ich noch zu sprechen«, entgegnete Hjelm. »Zuerst möchte ich aber, dass wir unsere Ergebnisse strukturieren. Was gibt es von deiner Pragreise zu berichten, Angelos?«
»Es ist auffallend, dass Vacek offenbar keinerlei Freunde hatte«, antwortete Sifakis. »Niemand, mit dem man hätte reden können, außer Frau Vacek. Aber sie war ziemlich abweisend.«
»Straßburg?«
Corine Bouhaddi antwortete: »Die einzige Auskunft, die ich erhalten habe, war die Andeutung eines französischen linksgerichteten Politikers, dass Vacek eventuell ein doppeltes Spiel spielte. Aber das wissen wir ja jetzt.«
»Ich habe ebenfalls keinen ausfindig machen können, der ihn mochte«, schloss sich Beyer an. »Roman Vacek war ein gefürchteter, keineswegs beliebter Mann. Nach Aussage der meisten ein knallharter Kommunist der alten Schule.«
»Und Spion für die NATO«, ergänzte Hjelm und fragte dann: »Auch keine Fortschritte bei den Ahnenforschern in Amsterdam?«
»Nein«, antwortete Kowalewski und schüttelte den Kopf. »Sie haben ihre Suche nach möglichen Verwandten ziemlich geschickt angestellt und können mit großer Sicherheit behaupten, dass Vacek keine unehelichen Kinder hatte. Aber ihre Methoden sind mir
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