Zorn: Thriller (German Edition)
dass er unter Alkoholproblemen leidet und noch dazu vereinsamt und geschieden ist, und zum anderen sind seine Gelder verschwunden. Zum Zeitpunkt seines angeblichen Todes befand sich nicht mehr viel auf seinen Konten. Also nahmen wir an, dass er abgesehen von seiner Vereinsamung auch noch verarmt war.«
»Du glaubst also, dass er möglicherweise die Hilfe eines privaten Sicherheitsunternehmens in Anspruch genommen hat?«
»Das jetzt von Massicotte den Auftrag erhalten hat, Dworzak zum Schweigen zu bringen?«
In dem kleinen Mietwagen wurde es still. Nur das nervenaufreibende regelmäßige Hämmern der Klimaanlage war zu hören.
»Ist das, was wir jetzt vorhaben, wirklich das Vernünftigste?«, fragte Laima Balodis. »Sollen wir wirklich auf diesen Nachbarn warten?«
»Wenn wir an unsere neue Hypothese glauben«, antwortete Hershey, »und damit daran, dass Asterion Dworzak eben nicht in einem Safe House untergebracht hat, sondern er möglicherweise auf der Flucht ist, ja, dann tun wir hier das Vernünftigste. Die Zeugenaussagen von gestern waren eindeutig.«
»In ihrer Einfalt«, entgegnete Balodis. »Wenn einer weiß, wo er steckt, ist es ganz sicher dieser Däne.«
»Ja, der beste Freund von Sir Michael. Den Nachbarn zufolge ist er auf Geschäftsreise und müsste heute Morgen wieder zurückkommen. Tja, und wir sitzen hier und machen es uns vor seinem niedlichen kleinen Reihenhaus gemütlich.«
»Gemütlich ist das Stichwort«, bemerkte Balodis und schaltete die Klimaanlage herunter.
Im gleichen Augenblick tauchte der Däne auf. In einem Auto, das weitaus schicker war als sein Reihenhaus. Als wäre es wichtiger, unterwegs Eindruck zu schinden, als zu Hause. Als er aus dem Wagen stieg, waren sie bereits bei ihm.
»Morten Poulsen?«, Balodis zeigte ihm ihren Polizeiausweis.
Morten Poulsen seufzte gelangweilt. Er war um die fünfundsechzig, möglicherweise etwas älter, und sah wie die Karikatur eines alt gewordenen Jetsetters aus. Ein Mann, bei dem damit zu rechnen war, dass früher oder später die Polizei auftauchen würde, und der eigentlich etwas betroffener reagieren müsste, wenn Polizisten vor seinem Haus standen.
»Nicht schon wieder«, brachte er schließlich hervor.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte ihn Miriam Hershey. »Wir sind nicht von der Steuerfahndung. Wir suchen Sir Michael Dworzak.«
»Er wohnt dort oben«, entgegnete Poulsen und deutete etwas lustlos den Hügel hinauf.
»Das wissen wir«, meinte Balodis. »Haben Sie ihn in den letzten Tagen getroffen?«
»Ich habe ihn gestern Morgen zuletzt gesehen. Aber ich habe doch bereits ...«
»Bei welcher Gelegenheit?«, fragte Hershey.
»Er hat mir zugewinkt, als sie vorbeigefahren sind.«
»Vorbeigefahren?«
»Das Ganze war, wie gesagt, etwas merkwürdig«, antwortete Morten Poulsen und kratzte sich am Kopf. »Er fuhr nicht mit seinem eigenen Wagen, sondern mit der alten Schrottkarre seines Gärtners. Sie kamen von oben aus seiner Villa.«
»In der Schrottkarre des Gärtners?«
»Ja, von José, oder wie er heißt.«
»Und wie wirkte Dworzak?«
»Tja, wie wirkte er? Wie schon gesagt, etwas bedrückt. Mitgenommen.«
»Warum sagen Sie eigentlich andauernd ›wie gesagt‹?«
»Sprechen Sie sich denn untereinander nicht ab?«, fragte Morten Poulsen genervt.
»Sie haben das Ganze also schon einmal erzählt?«, fragte Balodis.
»Ja, auf dem Flughafen, vor einer halben Stunde. Und zwar Ihren Kollegen.«
Miriam Hershey und Laima Balodis tauschten rasch einen Blick aus.
»Berichten Sie uns von dem Gespräch, in kurzen Worten und so genau wie möglich«, forderte Hershey ihn auf.
»Es waren zwei Männer mit ähnlichen Polizeiausweisen wie die der Damen. Sie haben genau dasselbe gefragt. Und ich habe dasselbe geantwortet.«
»Nämlich?«
»Dass wir uns dort im vergangenen Jahr zur Javali -Jagd einquartiert haben. Zur Wildschweinjagd. Ich muss schon sagen, dort herrscht absolute Wildnis.«
»Und wo genau, bitte?«
»In Josés Hütte, oben in den Bergen. Dort sind sie wahrscheinlich jetzt auch hingefahren.«
Sie machten sich auf den Weg. Hershey gab Gas, während Balodis versuchte, Poulsens krakelige Kartenskizze zu entziffern.
»Dworzak ist also mit seinem Gärtner als Leibwächter dort hingefahren«, sagte Hershey.
»Asterion hat demnach offenbar nicht vor, ihn zu schützen«, meinte Balodis. »Sondern vermutlich eher, ihn zu töten. Und zwar genau in diesem Augenblick.«
»Was glaubst du, warum ich fahre wie der
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