Zorn: Thriller (German Edition)
chiroplastischen Operation unterzogen, Sie mieses Schwein. Wie alt war ich da?«
Die drei Personen auf dem Sofa boten einen eigenartigen Anblick. Sie waren Hjelm eigentlich wohlbekannt, allerdings nur von den Ermittlungsfotos – und Udo Massicotte war zweifellos ein geschickter Arzt für plastische Chirurgie. Den Mann rechts von ihm hatte Hjelm über ein Jahr lang nicht mehr auf einem Foto gesehen, und er hätte ihn kaum wiedererkannt, wenn er ihm auf der Straße begegnet wäre. Doch da er hier auf diesem Sofa saß, war es offensichtlich, dass es sich um Bankdirektor Colin B. Barnworth von Antebellum Invest Inc. handelte. Ebenso klar war, dass die Dame auf dem Sofa, die sich offenbar diversen chiroplastischen Operationen unterzogen hatte, Mirella Massicotte, die angebliche Witwe, war. Derjenige, der den Fotos von sich am wenigsten ähnelte, war der Mann in der Mitte, aber da er auf Ws Frage antwortete, war er zweifellos Udo Massicotte.
Er schien vollkommen resigniert zu haben und erklärte seufzend: »Bei der letzten chiroplastischen Operation warst du gut zwei Jahre alt, Watkin. Danach hatte sich dein Bewusstsein erwartungsgemäß bereits so weit entwickelt, dass wir bei weiteren Operationen das Risiko eingegangen wären, dass du dich an sie erinnert hättest, und das konnten wir uns nicht leisten. Also wurde es Zeit, dich zu entlassen.«
»Sie haben mich also künstlich gezeugt und danach zwei Jahre an mir herumexperimentiert?«
»Drei«, korrigierte Massicotte ihn.
»Drei?«
»Neun Monate im Bauch deiner Ersatzmutter miteingerechnet, Watkin. Damals waren wir gezwungen, eine echte Gebärmutter zu verwenden. Heute geht das einfacher. Du musst wissen, dass eine beeindruckende Gruppe von Genforschern daran beteiligt war. Dworzak natürlich, der Maestro, aber auch die Jungen waren Genies, Vacek, van der Sanden, Dahlberg, Hays. Ganz zu schweigen von den Neurologen und Hirnchirurgen, die eine geradezu bahnbrechende Forschung betrieben haben, Aldrich, Flores-Domingo, aber vor allem Hamilton III. Was dieser Grünschnabel aus der High Society doch für einen Intellekt besaß. Bei ihm bist du aber wirklich zu weit gegangen, Watkin.«
»Ich habe erfahren, dass Hamilton derjenige war, der die letzte Hirnoperation durchgeführt hat«, entgegnete W. »Durch die meine Persönlichkeit ernsthaft verändert wurde.«
»Wir haben dennoch etwas zu lange gewartet«, gab Massicotte zu. »Andrew war gezwungen, einen Teil der Synapsen zu kappen, um die Erinnerungen an das Labor auszulöschen. Denn die durftest du auf keinen Fall behalten.«
»Das Labor der Sektion, auf Capraia?«, fragte Paul Hjelm.
W wandte sich ihm zu. Seine Augen verengten sich. »Sie wissen davon?«
»Es war ziemlich mutig von Ihnen, sich als deutscher Wanderer auszugeben«, antwortete Hjelm. »Winfried Baumbach aus Wolfsburg. Die Initiale W sogar beim Ortsnamen.«
»Es war das einzige Mal, dass etwas Unerwartetes geschah«, entgegnete W. »Roman Vacek war nicht allein. Jemand war bei ihm und stieß ihm ein Messer in den Leib. Ich war schließlich gezwungen herauszufinden, was das zu bedeuten hatte. Selbst als der Entdecker der Leiche aufzutreten war die beste Lösung. Aber ich weiß immer noch nicht, wer der Mann war.«
»Aber Sie waren ja tatsächlich ein Wanderer«, erklärte Hjelm. »Sie hatten sich bereits ein paar Tage auf Capraia aufgehalten. Draußen in der Wildnis. Sie rochen ungewaschen und nach Natur. Man fragt sich, was Sie dort gemacht haben.«
»Darauf kommen wir noch zu sprechen«, entgegnete W kühl. »Wissen Sie eigentlich, warum ich so fixiert auf den Buchstaben W bin?«
»Nein«, antwortete Hjelm. »Es begann mit Watkin Berner-Marenzi. Nach dem Mord an Ihrer Mutter wurde daraus Waltier Petit. Als Sie mit Onlinespielen reich wurden, nannten Sie sich William Bernard und schließlich Walter Thomas, als Sie Assistent dieses Mannes hier in den Twin Towers wurden. Um Colin Barnworth zu verraten, nannten Sie sich heute wieder Walter Thomas, als Sie das Wassertaxi von Kapitän Rouzier mieteten. Was die Zeit danach betrifft, wissen wir nichts Genaues, bis Sie dann zu Wall-e in Stockholm wurden und zu Winfried Baumbach auf Capraia.«
»Allerdings begann es nicht mit Watkin Berner-Marenzi«, entgegnete W mit einem dezenten anerkennenden Lächeln. »Anfänglich hieß ich lediglich W. Der Prototyp W, oder, Udo? Ihr hattet die Geschlechtszellen noch nicht so ganz im Griff, und alle vorangegangenen Experimente von A bis V waren Missgeburten.
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