Zorn: Thriller (German Edition)
Gruppe, mit der sich Karir in der Kneipe aufhielt, scheint also eher eine kumpelhafte Gang zu sein, zu der auch dieser Råglind gehört. Die Kerle haben sich vermutlich mit Drogen vollgepumpt und sich dann gegenseitig über die Grenze geschubst.«
»Und wo befindet sich dieser Råglind jetzt?«, fragte Felipe Navarro.
»Nach ihm wird gefahndet«, antwortete Hjelm. »In seiner Wohnung wurde er nicht angetroffen. Er ist seit der Schießerei nicht dort gewesen. Die Stockholmer Polizei bemüht sich intensiv, ihn ausfindig zu machen. Fortsetzung folgt.«
»Entfernen wir uns damit nicht immer weiter von der Möglichkeit, dass es eine Verbindung zwischen unseren Opfern gibt?«, fragte Marek Kowalewski. »Besteht überhaupt noch ein Grund für die Vermutung, es gäbe einen Zusammenhang? Je mehr wir recherchieren, desto deutlicher können wir einen terroristischen Hintergrund bei dem Mord an Roman Vacek auf Capraia ausschließen. Unser verehrter Eurokommunist scheint der Einzige im gesamten Europaparlament zu sein, der nie etwas mit Terrorismus zu tun hatte.«
Paul Hjelm schaute auf seine Untergebenen und dachte nach. Er dachte so lange nach, dass sie langsam unruhig wurden. Schließlich sagte er: »Es kommt mitunter vor, dass man mit seiner Intuition falschliegt. Doch das ändert eigentlich nichts – wir können gut an allen drei Fällen parallel weiterarbeiten, das schaffen wir. Drei so hohe Tiere werden nicht so kurz hintereinander ermordet, ohne dass sie irgendetwas miteinander zu tun haben. Vielleicht haben wir uns zu sehr auf den Terrorismus eingeschossen, Marek, das ist schon möglich, aber der Terrorismus ist eben auch das heißeste Thema. Und wenn wir in denselben Bahnen weiterdenken wie zuvor – dass sich ein Topterrorist in Europa aufhält und seinen Arzt für plastische Chirurgie und seinen Waffenhändler umgebracht hat, weil sie ihn identifizieren könnten –, wie passt da unser tschechischer EU-Politiker in das Bild? Lasst es uns noch einmal versuchen. Überdenkt alle Möglichkeiten und bezieht jegliche Informationen von Capraia mit ein.«
Sie dachten nach. Sie dachten sehr intensiv nach. Doch sie kamen nicht weiter. Keiner sagte ein Wort.
»In Ordnung«, meinte Hjelm schließlich. »Mir fällt auch keine logische Erklärung ein. Verdammt. Wir nehmen uns Capraia noch einmal gesondert vor. Aber zuerst Massicotte. Die Ermittlungen sind inzwischen ja formell an eine andere Instanz weitergeleitet worden – ich sage jetzt nicht NATO, weil ich die Anweisung habe, diese Institution nicht zu nennen –, dennoch wird Felipe Navarro bei uns weiterhin die Ermittlungen leiten und versuchen, mit den anwesenden nationalen Repräsentanten die losen Fäden zu verknüpfen. Irgendwelche Neuigkeiten, Felipe?«
»Nein, es scheint, als wären wir mit dem Massicotte-Fall in eine Sackgasse geraten«, antwortete Navarro missmutig. »Wir warten immer noch darauf, dass die Witwe ausfindig gemacht wird. Die aber eigentlich keine Witwe ist, da das Paar ja geschieden war. Die Polizei auf der Kanarischen Insel Fuerteventura hat sie noch nicht lokalisieren können. Wir haben inzwischen damit begonnen, die Terrororganisationen näher einzugrenzen, deren Mitglieder in Gefängnissen in ganz Europa untergebracht sind und der Forschungsgruppe in Straßburg zu Studienzwecken dienen. Aber ich nehme an, dass diese andere Institution hier weiter gekommen ist als wir. Im Übrigen treten wir in diesem Fall – der ja nicht einmal mehr der unsere ist – regelrecht auf der Stelle.«
»Okay, danke«, sagte Hjelm. »Jutta, willst du die Informationen zu Capraia zusammenzufassen?«
Jutta Beyer richtete sich auf und begann: »Der Mann, der die Leiche des Europaparlamentariers Roman Vacek gefunden hat, war ein deutscher Wanderer namens Winfried Baumbach aus Wolfsburg, aber er hatte außer der Tatsache, dass er die Leiche kurz nach Einbruch der Dämmerung gefunden und sofort die ortsansässige Polizei kontaktiert hat, nicht viel zu sagen. Allerdings haben wir drei interessante Zeugen auftun können, zum einen den Taxifahrer, der Vacek zum Gefängnis hinaufgefahren hat, außerdem den Hotelbesitzer, der den einzigen Fremden am Ort beherbergte, und den Kapitän der Fähre zwischen Livorno und Capraia. Die Personenbeschreibungen, die der Hotelbesitzer und der Kapitän von den Fremden abgegeben haben, decken sich. Zudem ist uns bestätigt worden, dass irgendwann in der betreffenden Nacht unten im Hafen von Porto ein Motorboot gestohlen wurde, das
Weitere Kostenlose Bücher