Zorn: Thriller (German Edition)
direkte Route von Capraia nach Goli otok.«
»Und eindeutigere Zeugenaussagen über das Aussehen des Mörders werden wir wohl kaum erhalten«, fügte Laima Balodis hinzu. »Denn unser Mann mit dem Schnauzbart hat sich bestimmt nicht plötzlich demaskiert.«
»Aber wir haben in diesem Zusammenhang eine spannende Sache entdeckt, oder, Marek?«, fügte Hjelm an.
Marek Kowalewski nickte stolz. »Ich habe herauszufinden versucht, woher die beiden SIM-Karten stammen. Was mir auch gelungen ist. Sie wurden beide in Livorno in einem Laden namens Computer Discount in der Via Scali d’Azeglio verkauft. Am siebten Mai um 14.12 Uhr wurden sie bar bezahlt, und wir haben Donatella Bruno dorthin geschickt, um Zeugenaussagen einzuholen. Vielleicht erinnert sich ja jemand an den Käufer.«
»Das klingt ja sehr vielversprechend«, bemerkte Hershey sarkastisch.
»Aber das ist zweitrangig«, erklärte Kowalewski. »Unser Mann mit dem Schnauzbart hat nämlich nicht zwei, sondern drei SIM-Karten gekauft.«
Für einen kurzen Augenblick herrschte Stille.
Angeregt fuhr Kowalewski fort: »Wir haben auch die Nummer der dritten SIM-Karte. Wenn er sie wählt oder über sie angerufen wird, gibt mein Handy folgendes Signal von sich.«
Ein disharmonischer Klangteppich von verzerrten Kirchenglockentönen hallte durch die Bürolandschaft.
»Ausgezeichnet«, sagte Hjelm und nahm die Hände wieder von den Ohren. »Und dann hat Jutta noch etwas mehr über Rudi Schrempf herausgefunden, nicht wahr?«
»Ich war gestern in Hamburg«, berichtete Beyer, »sowohl in der Redaktion des Hamburger Abendblatts als auch zu Hause bei Schrempfs Witwe. Dort gab es jedoch keinen Computer, denn laut Aussage der Witwe verreiste Rudi Schrempf nie ohne sein MacBook Air, aber es gab immerhin eine Back-up-Festplatte im Haus, an der die Computertechniker zurzeit intensiv arbeiten. In seinem Arbeitscomputer in der Redaktion gab es keinerlei Hinweise auf eine Reise nach Kroatien, weshalb wir es also wahrscheinlich erneut mit einem ›geheimen Auftrag‹ zu tun haben. Schrempf arbeitete als Ressortleiter nur in Teilzeit, und an den betreffenden Tagen hatte er frei. Keiner seiner Arbeitskollegen wusste etwas von einer Reise, aber seine Witwe sagte, dass er an ›etwas Großem‹ gearbeitet habe. Sie habe, Zitat, ›sich daran gewöhnt, ihm keine näheren Fragen zu seiner Arbeit zu stellen‹.«
»Er hatte einen Flug Hamburg – Split und retour gebucht«, erklärte Balodis. »Von Split aus ging es weiter mit einem Inlandsflug nach Rab und dann mit einem kleinen Schiff weiter nach Goli otok. Also nichts Auffälliges.«
»Aber hier haben wir eine Auffälligkeit«, sagte Hershey, den Blick auf ihren Computer geheftet. »Das Obduktionsprotokoll kommt gerade aus Kroatien. Rudi Schrempf starb an einem Messerstich ins Herz, der von vorn von einem Rechtshänder ausgeführt wurde.«
»Und der Nadelstich?«, fragte Hjelm.
»Ja«, antwortete Hershey, ohne den Blick von ihrem Bildschirm abzuwenden. »Es gibt in der Tat einen Einstich, an der gleichen Stelle an der linken Schulter wie bei Roman Vacek. Aber es wurde kein Gift im Körper gefunden.«
»Hm«, meinte Hjelm. »Eigenartig.«
»Allerdings«, stimmte Hershey zu. »Schwer zu erklären. Ist ihm das Gift ausgegangen?«
»Aber warum dann der Einstich?«, fragte Hjelm. »Hat irgendwer irgendwelche Hypothesen?«
»Das ist in der Tat sehr eigenartig«, meinte Söderstedt. »Es hat aber etwas zu bedeuten. Es ist eine Aussage.«
»Die besagt ...?«
»Keine Ahnung. Ich hab wirklich keinen blassen Schimmer.«
»Aber dennoch ist es eine interessante Information«, urteilte Hjelm. »Zwei Dinge: das bislang noch unbenutzte Handy und die Pferdespritze ohne Gift. Warum zum Teufel finden wir nicht mehr? Warum führen uns unsere Suchergebnisse nicht weiter? Gibt es denn wirklich keine früheren Opfer, in ganz Europa nicht? Hat er erst jetzt mit dem Morden begonnen?«
»Warte«, rief plötzlich Felipe Navarro, der ungewöhnlich träge und mit falsch gebundener Krawatte über seinem Computer gehangen hatte. »Warte, warte, warte«, wiederholte er. »Du hast da ein Schlüsselwort genannt.«
»Welches denn?«, fragte Hjelm. »Dass er erst jetzt begonnen hat?«
»Nein, nein«, antwortete Navarro und tippte in fliegender Hast etwas in seinen Computer. »Ich habe an den Massicotte-Ermittlungen gesessen und bin nicht vorangekommen. Aber da ist etwas. Warte, ich hab’s gleich.«
»Was für ein Schlüsselwort habe ich denn verdammt noch
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