Zorn: Thriller (German Edition)
Navarro.
»Wunderbar«, meinte Bouhaddi.
Sie holten seine Füße oben in der Oude Molstraat ein. Doch in dem Moment löste sich seine linke Hand vom Körper und beförderte sein Schlüsselbund hinauf in eine Baumkrone.
Bouhaddi schaute ihm nach, merkte sich, wo es gelandet war, und kam zu dem Schluss, dass es sich um eine Linde handelte.
»Du fandst es also angemessen, deine Schlüssel in eine Linde hinaufzuwerfen, Felipe?«, fragte sie.
»Das war ich nicht«, entgegnete Navarro. »Es war die Hand. Sie hat dort oben ihr Nest.«
Sie mussten klingeln. Es dauerte zehn Minuten, bis Felipa Navarro in der Türöffnung erschien, zierlich und mit wirr abstehenden Haaren. Sie starrte die beiden verblüfft an.
»Tut mir leid«, sagte Corine Bouhaddi. »Ich habe ihn in der Stadt aufgelesen. Ich glaube, er gehört zu dir.«
»Die Füße«, rief Navarro.
In dem Augenblick begann Felipa Navarro zu lachen. Erst leise und erstaunt, doch dann immer lauter. Schließlich steckte sie Bouhaddi an, die lachend begann, eine Kartenskizze auf die Rückseite eines Zettels zu malen, der auf der Kommode lag.
Während Felipe Navarro seinen Füßen in die Küche folgte und ihnen dabei bedeutete, leiser zu sein, zeigte Bouhaddi auf ihre Karte und erklärte: »Er hat sein Schlüsselbund in diesen Baum hier geworfen, eine Linde. Er hängt ungefähr vier Meter über dem Boden. Möglicherweise mit den geheimen Europolschlüsseln am Bund.«
Felipa Navarro nickte aufmerksam und fragte dann: »Coffeeshop?«
»Er ging vorbei. Ich habe ihm zugewunken. Er hat einen milden Joint genommen. Die Schuld liegt zum Teil bei mir.«
»Er ist ein erwachsener Mensch«, entgegnete Felipa Navarro. »Es ist seine eigene Schuld. Ich selbst bin mal von einer Arbeitskollegin nach Hause geschwommen. Buchstäblich geschwommen, den ganzen Weg. Aber das war natürlich, bevor ich schwanger wurde, das möchte ich betonen. Er weiß aber nichts davon. Er ist immer so verantwortungsbewusst.«
»Möglich, dass es damit jetzt vorbei ist«, sagte Bouhaddi schulterzuckend. »Ich wünsche euch jedenfalls eine gute Nacht. Soll ich dir noch helfen, ihn vom Küchentisch herunterzuholen?«
»Kommt jetzt von der Lampe runter«, brüllte Felipe Navarro. »Und zwar beide.«
»Würdest du das tun?«, bat Felipa Navarro. »Ich helfe auch mit.«
»Klar«, antwortete Corine Bouhaddi und ging in die Küche.
Felipa Navarro folgte ihr. Sie bemühte sich nach Kräften, nicht wieder loszulachen.
»Wir sind schließlich auf Sendung«, schimpfte Felipe Navarro und streckte sich nach seinen Füßen auf der Küchenlampe.
Heureka x 2
Den Haag, 21. Mai
»Das ist doch zum Mäusemelken«, rief Angelos Sifakis und klappte seinen Laptop mit einem Knall zu. »Eigentlich hätten wir jetzt einige Treffer erzielen müssen. Wir suchen immerhin schon seit anderthalb Tagen ununterbrochen.«
Paul Hjelm, der von seinem Chefzimmer aus gerade auf dem Weg in die offene Bürolandschaft war, blieb bei Sifakis stehen und fragte: »Machen wir vielleicht etwas falsch?«
»Offenbar alles«, entgegnete Sifakis mürrisch.
»Denken wir falsch? Ich meine, gibt es einen grundlegenden Denkfehler?«
»Ich finde ihn jedenfalls nicht. Ich bin alle möglichen Kombinationen durchgegangen und habe sie gedreht und gewendet. Aber es funktioniert nicht. Keinerlei Zettel mit Zitaten aus dem Grafen von Monte Christo zum Beispiel. Es gibt keinen einzigen.«
»Können wir uns hier versammeln?«, fragte Hjelm laut. »Es gibt Neuigkeiten.«
Die Bürostühle nahmen Fahrt auf, und Rollgeräusche hallten durch die offene Bürolandschaft. Schließlich waren alle zusammengekommen, und Hjelm erklärte: »Es geht um Rudi Schrempfs Handy, das genau wie das Telefon von Roman Vacek seit dem Mord verschwunden ist und auch nicht eingeschaltet wurde. Wir haben in der Zwischenzeit zwei unbekannte Telefonnummern lokalisiert, über die Vacek und Schrempf an den Tagen vor den Morden angerufen wurden. Eine Nummer pro Opfer, beide führen zu Handys mit SIM-Karte und sind nach den Morden ebenfalls nicht mehr verwendet worden. Wir haben zwei geografische Positionen erhalten – ein Café in Triest, von dem aus einen Tag vor dem Mord angerufen wurde, und einen Badestrand in Lopar im Norden von Rab, der Touristeninsel, die Goli otok am nächsten liegt. Wir haben unsere Freunde Miladin Mlakar und Rok Natek darauf angesetzt, Zeugen zu finden.«
»Gut«, sagte Miriam Hershey, »aber die Linie Triest – Rab beschreibt doch eigentlich nur die
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