Zorn: Thriller (German Edition)
tun.«
»Studentenalter«, warf Paul Hjelm ein.
»Er muss also logischerweise einer der Studenten des ›Roten Didde‹ gewesen sein«, schloss Bouhaddi. »Einer, der die Nase voll hatte, weil er es besser wusste, hat Kontakt mit der harten praktischen Wirklichkeit hinter Didier Giraults wilden marxistischen Theorien aufgenommen.«
»Ein Philosophiestudent im Herbst 2001«, meinte Hjelm.
»Der sich auf der Suche nach Güte und Wahrheit der Philosophie zugewandt hat«, fuhr Bouhaddi fort. »Und dem ›Roten Didde‹ begegnete.«
»Ein Philosophiestudent in Göteborg«, sagte Paul Hjelm leise.
Dritter Bericht
Bezeichnung:
Bericht CJH-28467-B452
Auftragsnummer:
A-100318
Ziel:
Aktualisierung, Einholen von Einschätzungen
Datum im laufenden Jahr:
14. April
Level:
The Utmost Degree of Secrecy
Die Nachforschungen über die Identität, die der fünfzehnjährige W nach dem Muttermord angenommen hat, führten uns im Jahr 1994 in die Pariser Unterwelt. Da sich »das Kamel« – der damals neunzehnjährige Fälscher Jacques Rigaudeau – in einem Kreis krimineller Jugendlicher in den östlichen Vororten bewegte, richteten wir unser Augenmerk auf diese Stadtteile. In Clichy-sous-Bois lebten zwar bereits damals mehrheitlich Immigranten, der Stadtteil war aber noch nicht in die absolute Hoffnungslosigkeit abgerutscht, die zu den umfangreichen Rassenkrawallen im Oktober 2005 führte. Allerdings lag die Jugendarbeitslosigkeit bereits bei nahezu vierzig Prozent.
Später, nachdem wir alle Polizeiakten untersucht hatten, die sich in irgendeiner Hinsicht mit »dem Kamel« befassten, stellten wir fest, dass um Neujahr 1995 herum ein neuer Name in dem Kreis aufgetaucht war. Dieser junge Mann wurde in Anlehnung an den Dichter Arthur Rimbaud aus dem 19. Jahrhundert, der bereits als sehr junger Mann seinen Durchbruch erlebt hatte, allgemein »Rimbaud« genannt, doch sein richtiger Name lautete Waltier Petit. Dieser »Rimbaud« taucht ebenfalls im Polizeiregister von Clichy-sous-Bois auf, allerdings werden ihm keine Verbrechen vorgeworfen, sondern er soll sich bis zum Frühjahr 1997 lediglich im näheren Umfeld von Verbrechern aufgehalten haben. Danach findet sich kein Waltier Petit mehr in den Registern. Der einzige weiterführende Hinweis, den wir finden konnten, entstammt einer Zeugenaussage, in der er als »verdammt smarter Spielertyp« bezeichnet wurde. Unsere Erkundungen führten uns ins Milieu illegaler Spielkasinos – Wetten, Poker, Roulette, Blackjack, Trabrennen, alle Arten von Spielen –, doch es gab keine weiteren Anhaltspunkte. Unsere Organisation, die noch nie zuvor einen Auftrag erfolglos abgeschlossen hat, war in eine Sackgasse geraten. Wir waren gezwungen umzudenken.
Also befassten wir uns näher mit der zuvor unbeachteten Aussage Maria Berner-Marenzis, wonach W »wie immer an seinem Computer saß«, als sie in sein Zimmer kam, um ihn zur Rede zu stellen. Das war bereits Mitte der Neunzigerjahre gewesen, aber das Internet gab es damals schon.
Klar, womit sollte sich ein junger, computerfixierter Mann mit kriminellen Neigungen, der ein »verdammt smarter Spielertyp« ist, auch sonst befassen, als am Computer Onlinespiele zu spielen? Bei unserer Recherche im Internet stießen wir auf eine einzige internationale, vielsprachige Website mit unterschiedlichen Spielen auf Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Russisch und Rumänisch.
Die sieben Sprachen, die W beherrschte.
Sie wurde ständig erweitert, war allem Anschein nach ziemlich erfolgreich und existierte bis 1999. Dann wurde die Firma von einem laut Pass französischen Bürger namens William Bernard ins Steuerparadies Monaco umgesiedelt. Der Vertrag, durch den die Firma an den Onlinespiel-Riesen Microgaming Software Systems Ltd. abgetreten wurde, wurde von besagtem William Bernard in Silicon Valley bei San Francisco unterschrieben. Ein Jahr später wurde Bernard amerikanischer Staatsbürger – und verschwand erneut.
Als er etwa zwanzig Jahre alt war, hatte W bereits ein mehr oder weniger steuerfreies Vermögen in Monaco angehäuft, war amerikanischer Staatsbürger geworden und hatte den perfekten Trick gefunden, um nicht entdeckt zu werden: Er reiste stets von einem US-Staat zum nächsten. William Bernard erhielt mit der Staatsbürgerschaft auch eine amerikanische Sozialversicherungsnummer, die er jedoch nie benutzte.
Jetzt besaß er die finanziellen Möglichkeiten, sich dauerhaft eine neue Identität zu verschaffen.
Daher wurde es in der Tat
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