Zorn: Thriller (German Edition)
während der Zeit des ›Roten Didde‹ vonstattengegangen sein.«
»Also im Oktober 2001?«, fragte Hjelm.
»Es kann natürlich Zufall sein«, meinte Bouhaddi. »Aber wir sollten auch die Anschläge in New York mit in Betracht ziehen, die einen Monat zuvor geschehen sind.«
»Und worin soll da ein Zusammenhang bestehen?«
»Weiß nicht«, antwortete Bouhaddi. »Aber es wäre interessant, einen Blick in das Universitätsregister der in dieser Zeit immatrikulierten Philosophiestudenten zu werfen.«
»Tu das.«
»Ich habe da nämlich eine Idee«, sagte Bouhaddi. »Vielleicht ist sie etwas weit hergeholt, ich weiß nicht. Aber du könntest mich ja machen lassen, solange die anderen noch nicht wieder zurück sind.«
Sie wies mit der Hand in Richtung der leeren Bürolandschaft vor ihnen. Keiner der Fernreisenden war bislang zurückgekehrt. Der Einzige, der an seinem Platz saß, war Felipe Navarro, und er wirkte ziemlich abwesend.
»Sie werden im Laufe des Tages eintreffen«, erklärte Hjelm. »Zur Nachmittagsbesprechung um fünfzehn Uhr dürften alle wieder hier sein. Bis dahin musst du fertig sein. Und worin besteht deine Idee?«
»Wir wissen zwar noch nicht das genaue Datum von Didier Giraults Reise zu seiner Mutter nach Avignon«, antwortete Bouhaddi, »aber es dürfte Anfang Oktober 2001 gewesen sein. Ich habe einen Blick in seinen Lehrplan im philosophischen Institut in Göteborg geworfen. Er hatte die beiden mittleren Wochen im Oktober frei, also ab Montag, dem 8. Oktober. Er könnte also bereits am Freitag, den 5., gefahren sein, wo er bis mittags noch Vorlesungen gehalten hat. Wahrscheinlich ist er jedoch vom 5. bis zum, sagen wir, 8. gefahren, um so viel Zeit wie möglich in der sonnigen Provence zu verbringen. Am Montag, den 22., hätte er wieder zurück in Göteborg sein müssen. Das Institut kümmert sich übrigens darum, die Listen der im Wintersemester 2001 immatrikulierten Studenten herauszusuchen. Ich habe mir auch die Flugpläne von Göteborg nach Marseille während dieses Zeitraums angesehen, da dies die schnellste und wahrscheinlichste Verbindung ist. Denn ›Didde‹ hatte keinen Führerschein. Allerdings verlief der Flugverkehr direkt nach Nine-Eleven ja nicht gerade reibungslos. Also ist er vielleicht auch mit dem Zug gefahren. Aber auch wenn es keinen Direktflug von Göteborg nach Marseille gegeben haben sollte, hätte er mit dem Zug mindestens einen Tag verloren.«
»Mit anderen Worten, du hast schon einen großen Teil dessen erledigt, für das du jetzt mein Okay willst?«, fragte Paul Hjelm. »Und worin besteht deine Idee?«
»Darin, die Studentenlisten mit den Passagierlisten abzugleichen«, antwortete Bouhaddi. »Falls ihm irgendein Student gefolgt ist. Oder ihn begleitet hat.«
»Hut ab«, meinte Hjelm und nickte. »Kein schlechter Gedanke. Aber dabei brauchst du Hilfe und außerdem jemanden, der Schwedisch spricht, oder? Rede mit Navarro, dem Meister der Koordination. Auch wenn er heute etwas angeschlagen wirkt. Und dann möchte ich, dass du auch Sara Svenhagen miteinbeziehst, die da draußen bei den nationalen Repräsentanten sitzt und die Drecksarbeit macht. Sie besitzt eine schnelle Auffassungsgabe.«
»Perfekt«, antwortete Bouhaddi und machte sich auf den Weg.
Sie ging zu Navarro, der dasaß und mit einem eigenartigen Blick seine Füße betrachtete.
»Stell sie jetzt fest auf den Boden, Felipe«, sagte Bouhaddi. »Ich brauche deine Hilfe.«
Dann ging sie weiter zu Sara Svenhagen und erklärte ihr die Situation. Sie besaß in der Tat eine schnelle Auffassungsgabe. Nach wenigen Minuten konnten sie loslegen.
Sie setzten sich an den Rand der Bürolandschaft und arbeiteten in ihrer kleine Gruppe intensiv wie unter einer Glasglocke. Während einer der Fernreisenden nach dem anderen eintrudelte, führte das Trio ein Telefonat nach dem anderen und durchsuchte das Internet, bis die Leitungen glühten und der Schweiß rann. Die Stunden vergingen. Allein das Eruieren der verschiedenen Reisemöglichkeiten von Göteborg nach Marseille war ein logistisches Kunststück, das sie mit Navarro als Akrobaten allerdings virtuos meisterten. Dann überprüften sie einen Flughafen nach dem anderen, eine Airline nach der anderen, ein Kreditinstitut nach dem anderen. Züge, Busse, Fähren, Taxis. Alle Register, die im früher als »Äther« und inzwischen als »Cloud« bezeichneten Medium gespeichert waren. Längst vergessene, aber keineswegs gelöschte Daten, die wieder aufgerufen und
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