Zorn: Thriller (German Edition)
endlich hochgefahren. Und verlangte in der Tat nach einem Passwort. Holm schob Chavez mit einer Bewegung des Ellenbogens zur Seite, die ihn an den Stoß auf der Treppe des Hauses in Bromma erinnerte, sodass er gar nicht auf die Idee kam zu protestieren.
Dann waren sie im System des Computers. Auf dem Desktop lagen zahllose Dateien. Darunter ein PDF von SAS. Kerstin Holm klickte es an. Auf dem Bildschirm öffnete sich ein E-Ticket für den Flug Göteborg – Stockholm. Ausgestellt kurz nach dem Telefonat von Göteborg aus nach Den Haag mit der SIM-Karte, die in Livorno gekauft worden war. Alles stimmte.
Alles passte so gut. Bis auf ihren eigenen Zeitplan.
Der Zeitplan der Opcop-Gruppe.
»Sie hat dort gestanden«, sagte Kerstin Holm nachdenklich.
»Wie bitte?«
»Marina Ivanova war in Landvetter, in der Warteschlange. Sie ist mit demselben Flieger nach Stockholm geflogen wie wir. Vielleicht sitzt sie jetzt auf einem unserer Plätze.«
»Verdammt«, rief Chavez aus. »Das kann man ›Staffellauf‹ oder auch ›Ironie des Schicksals‹ nennen. Sollen wir die Polizei in Arlanda auf sie ansetzen? Das Flugzeug müsste in einer halben Stunde landen.«
Kerstin Holm seufzte tief und dachte nach.
»Das wäre natürlich das Sicherste«, antwortete sie schließlich. »Aber dann gerät der gesamte Fall in die Mühlen der schwedischen Polizeibürokratie. Das würde die Dinge nur unnötig verkomplizieren.«
»Aber wir dürfen nicht riskieren, dass sie verschwindet«, argumentierte Chavez. »Dann machen wir uns eines Dienstvergehens schuldig.«
»Wir müssen noch mehr hier finden«, sagte Holm und zeigte auf den Computer. »Irgendeine Mail, eine Notiz, ein Datum. Gib uns zehn Minuten, und wenn wir dann nichts gefunden haben, nehmen wir Kontakt zur Polizei in Arlanda auf.«
Chavez stürzte sich auf den Computer, während Holm Flugzeiten in ihr Handy eingab. In dem Moment klingelte es.
Es war Arto Söderstedt, der sagte: »Endlich mal Schwein gehabt. Die vorherige Maschine nach Stockholm hat Verspätung. Wir kriegen sie noch. Dann sind wir in zwei Stunden in Arlanda. In zweieinhalb in der Stadt.«
»Wir gehen gerade Ivanovas Computer durch«, erklärte Holm. »Du erfährst Näheres von uns, wenn ihr landet. Denn irgendetwas müssen wir finden. Sonst muss sich die Polizei in Arlanda um sie kümmern.«
»Wer zuerst kommt, mahlt zuerst«, entgegnete Söderstedt und stieg an Bord seiner Maschine.
Als er und Sara Svenhagen sich zwei Stunden später im Landeanflug auf das in Wolken gehüllte Arlanda befanden, schaltete er sein Handy, viel zu früh, wieder ein. Er wusste, dass sie deswegen nicht abstürzen würden. Als das Flugzeug langsam auf sein Gate zurollte, ertönte das SMS-Signal laut in der Kabine, woraufhin sich eine Anzahl böser Blicke auf Söderstedt richteten. Er ignorierte sie und las. Die SMS war kurz.
»Wir landen eine halbe Stunde nach euch. Keine Arlanda-Polizei. Fahrt direkt los. Sie wohnt im Hotel Hellsten, Luntmakargatan. Eingecheckt unter eigenem Namen. Keine weitere Info gefunden. // Kerstin.«
Er hielt Sara Svenhagen das Display hin. Sie nickte kurz.
Jetzt oder nie.
Siebenunddreißig Kilometer waren es von Arlanda bis zum Hotel Hellsten, doch während der gesamten Taxifahrt wurde nur ein einziger Satz geäußert. Auf Höhe von Helenelund sagte Arto Söderstedt: »›Eingecheckt unter eigenem Namen‹?«
Was ihm einen skeptischen Blick des Taxifahrers und einen bekümmerten von Sara Svenhagen einbrachte.
Als sie in der Luntmakargatan ausstiegen, konnten sie die Dämmerung noch nicht einmal erahnen, aber einen Riss in der Wolkendecke ausmachen. Noch dreieinhalb Wochen bis Mittsommer.
Arto Söderstedt und Sara Svenhagen blieben eine Weile auf dem Bürgersteig vor der hübschen alten Eingangstür stehen. Über ihnen an der Fassade spiegelte sich die Abendsonne in den schlichten Versalien des Hotelnamens. Sie schalteten beide ihre Handys auf lautlos und überprüften diskret ihre Dienstwaffen. Dann betraten sie das elegante Designhotel.
Söderstedt gab dem Portier ein Zeichen, kein Aufsehen zu erregen, und hielt ihm seinen Polizeiausweis hin. Ein Blick des Mannes bestätigte, dass sich Marina Ivanova auf ihrem Zimmer im dritten Stock befand.
Im selben Augenblick, als sie die ersten Schritte die Treppe hinaufgingen, begann der Aufzug zu rauschen, und sie hörten, wie er sich nach unten bewegte. Es war unklar, aus welchem Stockwerk; möglicherweise aus dem dritten. Als sie rasch zur Aufzugtür
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