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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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weißt, dass ich das nicht kann.«
    »O doch, das kannst du!«, rief Zorn. Mittlerweile ergoss sich ein wahrer Wolkenbruch über den Volvo des Hauptkommissars. Im Wagen herrschte ein ohrenbetäubender Lärm. »Wir suchen deine Tochter, wahrscheinlich ist sie entführt worden.«
    »Ich weiß.«
    »Ach, das weißt du? Hast du auch eine Ahnung, wo sie ist?«
    »Das kann ich dir noch nicht sagen.«
    Wut stieg in Zorn auf. In seinem Bauch bildete sich ein pochender Knoten.
    »Das kannst du
noch
nicht sagen? Wahrscheinlich weißt du auch, dass ich vorgestern in deinem Garten war und deinen Sohn ausgegraben habe, oder? Weißt du auch, wie er ausgesehen hat? Wie er
gerochen
hat?«
    Mahler sagte nichts.
    »Du bist krank, Henning.«
    »Das bin ich nicht.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.« Zorn presste das Handy mit der Schulter ans Ohr und wühlte in der Ablage nach seinen Zigaretten. Mit zitternden Händen zündete er sich eine an. »Du bist ein perverses Stück Dreck«, sagte er und stieß den Rauch geräuschvoll aus.
    »Du rauchst zu viel, Claudius.«
    »Leck mich.«
    Eine Weile war es still in der Leitung. Er hörte, wie Henning Mahler atmete.
    »Warum hast du angerufen, Henning?«
    »Weil du erfahren sollst, was passiert ist.«
    Zorn lachte auf. »Oh, das weiß ich. Du hast mindestens drei Menschen ermordet. Wer weiß? Vielleicht auch deine Frau und deinen Sohn und –«
    »Ich habe Hannah Saborowski nicht getötet.«
    »Woher kennst du dann ihren Namen, verdammt?«
    »Das tut jetzt nichts zur Sache.«
    »Von wegen! Ihr Name ist nirgendwo in der Öffentlichkeit erwähnt worden, und soll ich dir was sagen? Du warst schlampig, mein Lieber. Wir haben deine DNA -Spuren an ihrer Leiche gefunden. Hat es dir Spaß gemacht, sie zu zerlegen wie ein Stück Vieh?«
    Hannahs Bild tauchte vor ihm auf, doch es blieb verschwommen. Wie lange war sie jetzt tot? Ein paar Stunden erst, und bereits jetzt konnte er sich nicht mehr genau erinnern, wie sie ausgesehen hatte. Das machte ihn noch wütender.
    »Wir müssen uns treffen, Claudius.«
    »Vergiss es. Nach dir wird bundesweit gefahndet, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir dich haben, spätestens morgen werden wir dich –«
    »Morgen werde ich tot sein«, unterbrach Henning Mahler ruhig.
    »Was?«
    »Vorher muss ich etwas erledigen. Und ich will, dass du dabei bist.«
    Im Erdgeschoss des Präsidiums wurde heftig ein Fenster geschlossen. Mittlerweile stand der Parkplatz fast völlig unter Wasser.
    »Ich bin um sechs an der Telefonzelle neben der Marktkirche«, sagte Henning Mahler und legte auf.
    *
    Sie erwacht, als die Tür geöffnet wird. Ein leiser Luftzug weht durch den Raum.
    Der Mann holt sich einen Hocker, stellt ihn dicht vor ihren Rollstuhl und setzt sich. Es ist dunkel, sie kann sein Gesicht nicht sehen, aber wenn sie sich anstrengt, erkennt sie die Umrisse seiner kräftigen Gestalt. In den letzten Tagen ist er öfter bei ihr gewesen, das weiß sie, obwohl sie immer geschlafen hat, wenn er kam. Das ist der Mann, der ihr die Cola und die Süßigkeiten hingestellt hat.
    Ein leises Rascheln. Er hält ihr eine Tüte entgegen. »Möchtest du Lakritze?«
    Ja, will sie sagen. Sie mag Lakritze, aber sie presst die Lippen zusammen und schüttelt den Kopf. »Nein.«
    »Warum?«
    »Weil du böse bist. Ich will keine Lakritze von bösen Männern.«
    Er lacht leise. Dann beugt er sich vor, bis sein Gesicht dicht vor ihrem ist. Sie weicht zurück, presst den Kopf gegen die Lehne des Rollstuhls und dreht sich von ihm weg. Er riecht nach kaltem Tabak und nach Pfefferminze.
    »So? Warum glaubst du, dass ich böse bin?«
    »Weil du böse aussiehst. Und weil ich hier weg will, aber du lässt mich nicht.«
    »Hast du Angst vor mir?«
    »Ja.«
    »Das ist gut.« Er lächelt. Seine Augen bleiben kalt. »Weißt du überhaupt, was es bedeutet, böse zu sein?«
    »Ja. Wenn man anderen weh tut. Papa hat es mir erklärt.«
    »Oh, dein Vater hat anderen auch weh getan. Sehr sogar.«
    »Du lügst!«
    »Nein.«
    Ella Mahler fängt an zu weinen. Sie will es nicht, aber sie kann sich nicht gegen die Tränen wehren. »Ich möchte nach Hause«, schluchzt sie sehr leise.
    Er mustert sie eine Weile, dann legt er eine Hand auf die Decke über ihren Knien. Sie spürt es nicht, aber sie erkennt, dass die Hand groß ist. Und behaart.
    »Wir werden deinen Vater bald treffen.«
    »Wirklich?« Sie sieht ihn mit großen Augen an. Dann merkt sie, dass er das nicht gesagt hat, um sie zu trösten.
    Er legt ihr die

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