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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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anzurufen.
    »Das würde ich bleiben lassen, Claudius. Hier unten hast du sowieso keinen Empfang.«
    Zorn fuhr erschrocken zusammen und verlor das Gleichgewicht. Einen fürchterlichen Moment schien es, als würde er nach unten stürzen, im letzten Moment allerdings fing er sich und zog sich mit zitternden Beinen an die Wand zurück. Dort sank er schwer atmend zu Boden.
    »Spinnst du, Henning?«
    Mahler war die untere Leiter hochgeklettert und stand keine drei Meter entfernt von Zorn auf dem Sims. Er trug eine dunkle Mütze und auf dem Rücken etwas, das Zorn für einen Rucksack hielt.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken.« Mahler deutete in die Tiefe. »Ich habe da unten gewartet. Du hast dir ganz schön Zeit gelassen.«
    Zorn war wütend. Während er auf dem Sims herumgekrochen war, hatte Mahler seelenruhig einen Meter unter ihm auf der Leiter gestanden und den richtigen Moment abgewartet, um ihn dann wie einen kleinen Jungen zu überrumpeln. Er spürte, wie sein Hintern nass wurde, und stand vorsichtig auf.
    »Jetzt bin ich da«, sagte er und strich die Jacke glatt. »Lass uns ins Präsidium fahren. Du bist verhaftet, Henning.«
    »Sei nicht albern. Ich dachte, wir wären uns einig, dass das nicht in Frage kommt.« Mahler sprach langsam, als würde er einem Kind eine Rechenaufgabe erklären. »Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten, Claudius. Und vor allem habe ich keine Zeit. Was ich habe, ist eine Pistole.« Ein kurzes, metallisches Klicken. »Was ist mit dir? Hast du deine dabei?«
    Zorn biss die Zähne aufeinander und schwieg.
    »Ich werte das als ein Nein, oder?«
    »Durchsuch mich.«
    »Später, Claudius. Du solltest allerdings wissen, dass ich dich sofort erschieße, wenn du mir Ärger machst.« Er hob die Waffe ein wenig. Zorn sah, dass es eine Beretta war, die mit ihrem seltsam überdimensionierten Schalldämpfer wie ein Kinderspielzeug wirkte.
    »Würdest du so gut sein und dieses Scheißding ein wenig beiseitehalten?«
    »Ich habe sie noch nie benutzt, Claudius. Aber ich fürchte, sie ist absolut tödlich. Es wäre schön, wenn du ein bisschen Abstand halten würdest. Ich mag dich. Und ich würde dir ungern weh tun.«
    »Du kannst mich mal.«
    »Hast du keine Angst?«
    »Vor dir? Nein. Du bist krank, du brauchst einen Arzt, aber ich weiß, dass du mir nichts tun wirst.«
    Mahler antwortete nicht. Es war unmöglich zu sagen, was er dachte. Oben auf dem Marktplatz setzte die Dämmerung ein, von dem spärlichen Licht drang kaum etwas zu ihnen hinab. Ihre Gesichter verschwammen im Schatten.
    »Warum bist du allein hier?«, fragte Mahler.
    Ich könnte behaupten, dass Verstärkung unterwegs ist, überlegte Zorn, verwarf den Gedanken allerdings sofort. Mahler musste wissen, dass die Beamten in diesem Fall schon längst zugegriffen hätten.
    »Woher wusstest du, dass ich allein komme?«, fragte er stattdessen.
    »Es war mir egal. Hättet ihr mich geschnappt, wäre jetzt alles vorbei. Dann hättest du die Sache für mich klären müssen, und ich wäre aus dem Spiel gewesen. Da ihr das aber nicht habt, werde ich es auf meine Art tun, und es wird passieren, was passieren muss. Ich habe dir die Entscheidung überlassen. Du hast sozusagen Schicksal spielen dürfen.«
    Zorn verstand kein Wort. »Henning, erzähl mir doch einfach, was du zu sagen hast. Und es wär nett, wenn du’s kurz machst.«
    »Nicht hier.«
    Mahler bückte sich und kramte in seinem Rucksack. Kurz darauf flammte eine Taschenlampe auf. Der dünne Strahl tanzte über die Grubenwand und richtete sich dann zitternd auf das gähnende Loch.
    »Lass uns gehen, Claudius.«
    »Ich soll da reinkriechen?«
    »Allerdings.«
    »Vergiss es.«
    »Es bleibt dir nichts anderes übrig.«
    Zorn holte tief Luft. Dann zwängte er sich in das schmale Loch.
    *
    Die Tür wurde aufgerissen und knallte heftig gegen die Wand. Frieda Borck marschierte ins Zimmer, baute sich vor Schröders Schreibtisch auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Sie lassen Mirko Stapic zur Fahndung ausschreiben?«
    »Allerdings«, nickte Schröder überrascht. »Ist das ein Problem?«
    »Keineswegs. Da wäre allerdings eine Kleinigkeit, die ich nicht ganz verstehe.«
    »Die wäre?«
    »Lassen Sie mich überlegen.« Die neue Staatsanwältin massierte sich mit den Fingern die Schläfen, als denke sie angestrengt nach. »Sie vernehmen den Mann, schicken ihn nach Hause, und eine halbe Stunde später fällt Ihnen ein, nach ihm fahnden zu müssen? Haben wir denn nicht schon genug zu

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