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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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oder eine andere mediterrane Gegend darstellen sollten, hinter dem Tresen stand ein Regal, das bis zur Decke reichte und mit Hunderten Weinflaschen gefüllt war.
    Hannah Saborowski trug ein dunkelgraues, einfaches Wollkleid, hatte das Haar hochgesteckt und war bis auf etwas Lippenstift komplett ungeschminkt, soweit Zorn das beurteilen konnte.
    »Hast du da eine Beule?«
    Sie beugte sich über den Tisch und strich Zorn das Haar aus der Stirn. Ihre Finger waren angenehm kühl.
    »Ich bin gegen die Badezimmertür gelaufen«, murmelte Zorn und wich ihrer Hand aus.
    »Das sagen sie alle, du Witzbold.«
    »Ich fand’s kein bisschen witzig.«
    Sie strich mit den Händen die Tischdecke glatt. »Ich kann mir nur zwei Gründe vorstellen, warum ich hier bin«, sagte sie nach einer kurzen Pause und lächelte. »Entweder du willst mich vögeln …«
    Zorn räusperte sich. »Und was … was wäre der zweite Grund?«
    Sie stützte die Ellenbogen auf und legte die Hände unters Kinn. »Dein Job. Oder irre ich mich, und du willst tatsächlich nur essen und mit mir reden?«
    Zorn öffnete den Mund, um etwas Unverfängliches zu sagen, doch in diesem Moment erschien der Kellner und fragte nach den Getränken. Zu seiner Verwunderung bestellte Hannah ohne Zögern einen 97er Barolo und eine Flasche Wasser.
    »Das ist dir doch recht?«
    Zorn hatte von Wein keine Ahnung. Er nickte nur.
    Irgendwo weiter hinten plätscherte leise italienische Popmusik, er tippte auf Adriano Celentano oder Umberto Tozzi.
    »Danke, dass du mich letzten Freitag nach Hause gebracht hast, Hannah.«
    »Ich konnte dich ja schlecht dort im Dreck liegen lassen, oder?«
    Die Musik hatte gewechselt. Jetzt sang eine Frau, ebenfalls auf Italienisch. Er dachte angestrengt nach, kam aber ums Verrecken nicht auf ihren Namen. Warum müssen mich Frauen immer so verwirren?, überlegte er und drehte sein leeres Weinglas.
    Hannah hatte sich zurückgelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihn an. »Was denkst du?«, fragte sie.
    Er bemerkte, dass ihre Augen grau waren. Und dass sie winzige Sommersprossen um die Nase hatte. »Ich überlege, wer diesen Titel singt.«
    »Gianna Nannini«, erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen.
    »Stimmt, das hatte ich total vergessen.« Er war heilfroh, endlich ein Gesprächsthema gefunden zu haben. »Ich hab die früher sehr gemocht, aber in den Neunzigern hat sie nur noch totalen Mist verzapft und das, was sie später –«
    »Erzähl mir einfach, was los ist«, unterbrach sie ihn. »Ich bin vielleicht nur eine Tippse, aber ich bin nicht blöd.«
    Er hielt es für besser, sich dumm zu stellen. »Wie meinst du das?«
    »Was willst du von mir, Claudius?«
    Zorn verdrehte die Augen.
    »Ich hasse diesen Namen.«
    »Claudius?«
    »Ja.«
    »Du hast recht, ein doofer Name. Aber wer kann sich seinen Namen schon aussuchen?« Sie beugte sich über den Tisch und nahm seine Hand. »Hast du eigentlich Geschwister?«
    »Einen Bruder. Ihn hat’s noch schlimmer getroffen.«
    »Warum?«
    Zorn zog eine Grimasse. »Er heißt Cornelius.«
    Sie lachte ihr tiefes, angenehmes Lachen. »Ihr müsst als Kinder sehr gelitten haben.«
    Er lächelte ebenfalls.
    Sie griff zur Speisekarte. »Magst du Muscheln, Claudius Zorn?«
    »Nein, aber du kannst mir gerne welche bestellen«, antwortete Zorn und beschloss in diesem Moment, ihr noch vor dem Hauptgang die Wahrheit zu sagen.
    *
    Später, als Zorn sich dann doch eine Thunfischpizza kommen ließ, stand Schröder gerade vor der Wohnung seines Chefs und hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. Es wummerte durch den Hausflur, doch das war Schröder egal. Stundenlang hatte er versucht, Zorn zu erreichen, und sich dann entschlossen, zu dessen Wohnung zu fahren. Das hatte er noch nie getan, und er wusste, dass Zorn wütend wurde, wenn man ihn zu Hause störte, aber auch das kümmerte ihn im Moment nicht. Er wartete einen Moment. Dann trat er mit aller Kraft gegen die Tür, und als er erneut ausholte, tippte ihm jemand von hinten auf die Schulter.
    Langsam drehte Schröder sich um. Das, was da vor ihm stand, war mehr ein Fleischberg als ein Mensch. Ein schwarzhaariger, unrasierter Riese in hellgrünen Plastiksandalen, die in seltsamem Widerspruch zu den ausgeleierten Jogginghosen und dem weißen, fleckigen Unterhemd standen.
    »Ich versuche zu schlafen, Kleiner.«
    Jetzt bemerkte Schröder die halb geöffnete Tür ein paar Meter weiter, ein Fernseher war auf volle Lautstärke gedreht, das hysterische Gebrüll

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