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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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öffnen.
    Kurz darauf war aus Sauers Büro ein erstickter Wutschrei zu hören, und als die afrikanische Figur an der Wand in tausend Stücke zerbarst, wurde das Krachen von den dicken Wänden geschluckt.
    *
    »Es ist unglaublich«, sagte Zorn kopfschüttelnd. »Ich hatte tatsächlich recht. So eine Scheiße.«
    Er hatte den Inhalt der Mappe, zwei eng beschriebene Formblätter und drei Fotos, vor sich auf dem Tisch liegen. Jetzt, da er seinen Verdacht schwarz auf weiß bestätigt sah, hätte er eigentlich triumphieren müssen, doch das Ganze war dermaßen absurd und unglaublich, dass er einfach nur ratlos war.
    Schröder hatte seinen Stuhl herumgerückt und saß jetzt direkt neben ihm.
    »Was wirst du tun?«, fragte Hannah.
    »Ich habe keine Ahnung.« Zorn atmete tief ein. »Nicht die geringste. Ich muss nachdenken.«
    Schröder nahm eines der Formulare und hielt es dicht vor die Augen. »Sind das eigentlich die Originale, Frau Saborowski?«
    »Ja, warum?«
    »Man hätte sie kopieren können und dann wieder zurück in den Safe legen.«
    »Dazu war keine Zeit.«
    »Das verstehe ich«, nickte Schröder, griff zum zweiten Formular und begann zu lesen. »Sie stammen beide definitiv aus dem Obduktionsbericht«, murmelte er, stutzte dann, legte das Papier beiseite und sah Zorn überrascht an. »Sie hatte einen Herzschrittmacher, Chef.«
    »Steht ja deutlich drin«, sagte Zorn und nahm ihm das Blatt aus der Hand. »Samt Hersteller, Baujahr und Seriennummer. Wie lange wirst du brauchen, sie zu identifizieren?«
    »Ich rufe den Hersteller an.«
    »Cardiomatics«, las Zorn vor.
    »Die werden mir sagen können, wann und an welches Krankenhaus sie geliefert haben, und anhand der Seriennummer müssten die ihre Krankenakte sofort finden.«
    »Heißt?«
    »Heute Nachmittag hab ich ihren Namen. Spätestens morgen früh.«
    Sie sprachen leise, alle drei saßen sie vornübergebeugt am Tisch. Man hätte meinen können, sie heckten eine Verschwörung aus. Was sie in gewisser Weise auch taten.
    Die Kellnerin kam, knallte wortlos die Getränke auf den Tisch und rauschte weiter.
    Hannah nahm die Fotos und hielt sie in die Höhe. »Aber was hat es mit denen auf sich?«
    »Das«, sagte Zorn, »steht hier.« Er nahm das zweite Formular.
    Alle drei Bilder zeigten Großaufnahmen eines menschlichen Unterarms. Es war klar, dass es sich ebenfalls um Fotos aus dem Obduktionsbericht handelte. Der Arm war aus unterschiedlichen Blickwinkeln fotografiert. Wie der restliche Körper der Toten war er über und über mit schartigen Schnittwunden und dunklen, bläulichen Flecken übersät. Ansonsten war auf den ersten Blick nichts zu sehen.
    Hannah reichte die Bilder an Schröder weiter. »Fällt euch was auf?«
    Schröder betrachtete die Fotos eins nach dem anderen. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Buchstaben«, sagte Zorn.
    Schröder kniff die Augen zusammen. Dann richtete er sich mit einem Ruck auf. »Tatsächlich.« Er fuhr mit dem Finger über eines der Fotos. »Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«
    Auf der Innenseite des Handgelenks waren vier Großbuchstaben zu erkennen. Bei oberflächlicher Betrachtung waren sie leicht zu übersehen, sie waren nicht größer als drei Zentimeter, unterschieden sich nicht von den übrigen Wunden und waren offensichtlich mit einer der Tatwaffen eingeritzt worden.
    Schröder erkannte ein S, ein I, ein V und ein O.
    »Sivo?«, fragte er und sah Zorn an.
    Der nickte.
    »Was kann das bedeuten?«
    »Keine Ahnung, aber hier steht«, Zorn wedelte mit dem zweiten Papier, »dass die Buchstaben
post mortem
eingeritzt wurden. Als ihr die anderen Schnitte zugefügt wurden, hat sie noch gelebt.«
    »Mehr oder weniger«, ergänzte Schröder.
    Hannah schob ihren Stuhl zurück und stand auf.
    Zorn sah sie fragend an.
    »Ich muss pinkeln«, sagte sie, lächelte kurz und verschwand in Richtung Toilette.
    »Chef«, sagte Schröder und sah ihr nach, wie sie sich durch die engen Tischreihen drängte, »ist dir eigentlich klar, in welcher Gefahr sie ist?«
    »Und wie mir das klar ist.« Zorn seufzte und nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette.
    *
    Sauer stand mit zusammengekniffenen Lippen am Fenster seines Büros und sah hinaus. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und wippte auf Zehenspitzen und Fersen langsam vor und zurück. Unter den Achseln seines hellblauen Calvin-Klein-Shirts hatten sich große, dunkle Schweißflecken gebildet. An der Scheibe lief der Regen in langen, dünnen Schlieren hinunter. Der Wind hatte zugenommen,

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