Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
Vom Netzwerk:
Außer Sushi, das isst man kalt. Aber das weißt du ja bestimmt, oder?
    Nee, das weiß ich nicht, dachte er, stand auf und stopfte die Tüte in den Kühlschrank. Es ist mir aber auch egal. Ich mag weder Fisch noch klebrigen Reis. Erst recht nicht, wenn das Zeug kalt ist.
    Er sah auf die Uhr über der Spüle. Gleich Mitternacht. Überlegte kurz, ob er Malina anrufen sollte, ihre Nummer hatte er ja nun im Handy. Ließ es dann aber bleiben, er hatte einfach keine Ahnung, was er ihr sagen sollte. War es eine gute Entschuldigung, wenn er ihr erklärte, dass er in einem Garten voller Krähenscheiße einen halbverwesten, erdrosselten Jungen hatte ausgraben müssen? Wahrscheinlich nicht, dachte er und rieb sich die juckenden Augen. Egal, ich will mir jetzt nicht mehr den Kopf zerbrechen, über gar nichts. Denken kann ich morgen wieder. Ich will nur noch ins Bett, wenn ich nicht gleich aufstehe, schlafe ich hier am Tisch ein.
    Er schlurfte ins Schlafzimmer und ließ sich rücklings aufs Bett fallen. Blieb einen Moment mit geschlossenen Augen liegen. Setzte sich dann noch einmal auf, um wenigstens Jeans und Schuhe auszuziehen.
    Hätte das Telefon in seiner Hosentasche eine Minute später vibriert, wäre es ihm entgangen, so aber sah er nach und stellte fest, dass er eine SMS bekommen hatte.
    Lust auf einen kleinen Ausflug? Bin am Bahnhof, erwarte Dich auf Gleis 8
    Jetzt war Claudius Zorn wieder wach.
    Hellwach.
    Die Nachricht war von Hannah.

Achtzehn
    »Was meinst du? Sollen wir ihn aufmachen?«
    »Was sonst? Willst du vielleicht warten, bis er von allein aufgeht?«
    Die Stimmen der beiden Männer in den unförmigen Schutzanzügen drangen gedämpft unter den Helmen hervor. Es war das dritte Mal innerhalb einer Woche, dass sie wegen Bombenalarms hatten ausrücken müssen. Zuerst waren sie zum Flughafen gerufen worden, zwei Tage später ins Straßenbahndepot an der alten Schlachterei. Jedes Mal hatte sich der Verdacht als falsch erwiesen. Keine Bomben, sondern einfach nur vergessene Gepäckstücke, die im Fundbüro besser aufgehoben waren als beim Sprengkommando der Bundespolizei.
    Der eine erhob sich unbeholfen und sah zur Uhr auf dem Bahnsteig. Siebzehn Minuten nach Mitternacht. 22 Uhr 48 hatte der letzte Zug den Bahnsteig in Richtung Landeshauptstadt verlassen. Kurz darauf hatte eine Bahnstreife neben dem Snackautomaten einen Koffer entdeckt und sofort die Bundespolizei alarmiert. Diese wiederum hatte den Bahnsteig abgesperrt, und jetzt, nachdem weder die Hunde noch die Scanner ein Zeichen auf Sprengstoff gegeben hatten, entspannte sich die Lage allmählich.
    Ein kalter Windstoß fuhr über den verlassenen Bahnsteig. Der nächste Zug würde erst gegen fünf Uhr morgens fahren. Das Funkgerät knackte. Der, der eben aufgestanden war, sprach mit dem Einsatzleiter. Dann wandte er sich an seinen Kollegen, der immer noch vor dem Koffer kniete. »Okay, lass uns das hinter uns bringen, sonst kommen wir ja nie nach Hause.«
    Der andere drehte schwerfällig den Kopf. »Was denkst du, ist diesmal drin?«
    »Ich tippe auf dreckige Socken und ein paar Schlüpfer.«
    »Oder alte Pornohefte.«
    »Das ist Wunschdenken, mein Lieber. Mach dir bloß keine Hoffnungen.«
    Sie hatten die Absperrung am Fuße einer Treppe errichtet, die hinauf zum Bahnsteig führte. Von dort war jetzt lautes Stimmengewirr zu hören. Jemand schrie, er sei Kommissar und müsse unbedingt durch.
    Wieder knackte das Funkgerät, der Stehende lauschte einen Moment.
    »Was ist da los?«, fragte der andere.
    »Ein Typ von der örtlichen Polizei. Behauptet, dass wir nichts anfassen dürfen, bevor er den Koffer nicht untersucht hat.«
    Unten in der Halle wurde der Tumult lauter.
    »Was sagt der Einsatzleiter?«
    »Nichts. Wir sollen weitermachen.«
    »Gut.« Der Kniende begann vorsichtig, die Schlösser zu öffnen. »Mal sehn, was wir da Schönes haben.« Er hieß Edgar Bethmann, war einundfünfzig Jahre alt und hatte bis zu diesem Moment eigentlich vorgehabt, seinen Job noch ein paar Jahre weiterzumachen.
    Das, was er dann zu sehen bekam, änderte alles.
    Die folgenden Wochen verbrachte Edgar Bethmann in einer Nervenklinik, danach wurde er in den Innendienst versetzt. Drei Monate später ging er in Frühpension. Doch die Albträume würden ihn nie mehr verlassen. Genauso, wie ihn der Anblick eines geschlossenen Koffers für den Rest seines Lebens in Panik versetzen sollte.
    *
    »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, Chef?«
    »Fängst du jetzt auch noch an? Verdammt

Weitere Kostenlose Bücher