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Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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Lügnerin. Er wird Fergusson doch nichts zuleide tun? Den anderen darf ich kein Wort verraten, denn sonst wird Mutter nicht zurückkommen. Ich muss hier auf sie warten...«
    Lydia schluchzte hemmungslos. Sheena führte sie hinaus und tröstete sie, wie eine Mutter ihr Kind. Würde die alte Frau jemals wieder sie selbst sein? Würde das Grauen jener Nacht sie nun für immer verfolgen, oder konnte sie wieder vergessen?
    Sheena begleitete die bedauernswerte Geistesgestörte in deren Zimmer, brachte sie zu Bett und rief dann nach einem Dienstmädchen, das sich zu ihr setzen sollte. Lydia schien zwischen tiefer Verzweiflung und beglückenden Bildern aus einer fernen Vergangenheit zu schwanken, die nur sie sehen konnte. Die Schloss herrin verließ sie ungern, aber Jamie stand an erster Stelle. Und Colleen, die nun die Krankenwache übernahm, war eher eine Freundin als eine Dienstmagd, und eine vertrauenswürdige Beschützerin. Bei ihr würde die Patientin in guten Händen sein.
    Auf dem Rückweg in das Zimmer, das Sheena mit Jamie teilte, beschäftigte Lydia immer noch ihre Gedanken. Und so dauerte es eine Weile, bis sie die drastische Veränderung bemerkte, die inzwischen eingetreten war. Er sah sie mit großen Augen an. Hatte er den Bericht seiner Tante gehört - von Anfang an oder nur den letzten Teil? Würde er nun nach Einzelheiten fragen, oder verstand er alles? Mit angehaltenem Atem und heftig klopfendem Herzen erwiderte sie seinen Blick, dann begann sie sich langsam zu entspannen. Offenbar wollte er nicht davon sprechen, noch nicht, und sie würde ebenfalls schweigen.
    Unverwandt schauten sie sich an, und Sheena hatte das Gefühl, dass Jamie das gleiche dachte wie sie. Die entfesselten Leidenschaften eines einzelnen Mannes hatten verbissene Kämpfe entfacht, jahrelang hatten Haß und Mordlust regiert. Und was am allertraurigsten war - die Wahrheit würde nun keinen Unterschied machen. Die Toten konnte nicht mehr erwachen, die Schlachten hatten stattgefunden, daran ließ sich nichts ändern. Es gab nichts, was das Grauen dieser Fehde mildern würde.
    Sie hätte niemals beginnen dürfen - gleichgültig, wer die Schuld daran trug. Und nach siebenundvierzieg Jahren war es an der Zeit, ein Ende herbeizuführen.

41.

     
    Unter Sheenas Obhut erholte sich Jamie erstaunlich schnell. Nachdem er erfahren hatte, dass sie ihn schon seit jener schlimmen Nacht pflegte, bestand er auch weiterhin auf ihrer Gesellschaft. Das störte sie natürlich nicht, und sie saß von morgens bis abends an seinem Bett, das er im Grunde gar nicht mehr hüten musste , weil er längst genesen war. Als sie eines Tages das Zimmer betrat, sah sie ihn zu ihrer Überraschung am Feuer stehen, vollständig angezogen.
    »Du weißt sicher, dass eine neue Fehde begonnen hat - mit den Jamesons?« fragte er.
    Sie nickte. Colen hatte ihr erzählt, was geschehen war. Man hatte Jamie und Black Gawain ins Schloss Kinnion zurückgebracht, und dann hatte Colen den Jameson-Turm angegriffen, ohne ihn stürmen zu können. Er hätte eine größere Streitkraft benötigt.
    Zur allgemeinen Verblüffung beschloss Jamie, den Turm nicht einzunehmen. Sicher, Sir Williams feige Anschläge hatten einige Menschen das Leben gekostet, und dafür hätte er büßen müssen. Aber es widerstrebte Jamie, einen ganzen Clan zu vernichten. Der Feind war nun bekannt und würde auf die übliche Weise im Zaum gehalten werden, mit regelmäßigen Überfällen. Außerdem, war er jetzt ohnehin im Nachteil, weil er nicht mehr im Verborgenen operieren konnte.
    Black Gawain mißbilligte die Entscheidung des Lairds. Er hatte seinen Alleingang in der Angriffsnacht mit einem gebrochenen Arm bezahlt und war eine Zeitlang kampfunfähig gewesen. Doch er hatte sich geschworen, Jameson zu töten. Zwischen Jamie und seinem Vetter war ein erbitterter Streit ausgebrochen. Schließlich hatte Gawain wutentbrannt das Schloss verlassen. Er war noch nicht zurückgekehrt.
    »Du siehst doch ein, dass wir diese neue Fehde mit gutem Grund begonnen haben?« fragte Jamie seine Frau.
    Sie lächelte ihn an. Anscheinend brauchte er ihre Einwilligung, und sie stimmte zu, weil sie wusste , dass er nichts von blutiger Rache hielt. »Die Schotten werden einander immer bekämpfen und berauben - gleichgültig, ob sie Freunde oder Feinde treffen«, erwiderte sie leichthin.
    Er runzelte die Stirn, denn Dugald hatte ihm neulich ein paar kostbare Pferde entwendet, für die er nun Lösegeld verlangte - einen beträchtlichen

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