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Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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Kissen zurück, dankbar für die weichen Daunen, die ihren schmerzenden Kopf einhüllten, und für Lydias Fürsorge. Die Tante der beiden MacKinnions war soeben hinausgegangen, nachdem sie ihr das Abendessen gebracht hatte. Es war tröstlich zu wissen, dass eine freundliche Seele in diesem Schloss lebte - jemand, der sich ernsthaft um ihr Wohlergehen bemühte. Trotzdem wünschte sie, Lydia wäre nicht gekommen, denn die alte Frau hatte sie - ohne es zu wollen - in Angst und Schrecken versetzt.
    Ihre Beobachtungsgabe war viel zu stark ausgeprägt. Zunächst hatte sie über belanglose Dinge geschwatzt und Sheena in Sicherheit gewiegt, um sie dann aufmerksam zu betrachten. »Ihr habt das Haar und die Augen einer Fergusson! Irgendwie seid Ihr mir von Anfang an bekannt vorgekommen - aber ich weiß erst jetzt, woran das liegt. Niall Fergusson hatte genauso dunkelrotes Haar wie Ihr. Seid Ihr eine Fergusson?«
    Sheena schluckte mühsam. »Ich - ich habe doch gesagt, wer ich bin«, stammelte sie.
    »Ja, natürlich. Ihr müßt mir verzeihen, aber - ich habe gesehen, wie unser Jamie Euch anschaut. Er fühlt sich zu Euch hingezogen, daran gibt es gar keinen Zweifel, nur... Ich habe mir so gewünscht, dass er ein Fergusson-Mädchen zur Frau nimmt, um die grauenvolle Fehde ein für allemal zu beenden. Und da sitze ich nun und versuche, eine Fergusson aus Euch zu machen - obwohl ich in meinem Herzen weiß, dass er niemals heiraten würde, nur um mir einen Gefallen zu tun. Und deshalb ist es gut, dass Ihr keine Fergusson seid. Andererseits - wenn Ihr eine wärt, würdet Ihr es wohl kaum zugeben, nicht wahr?«
    Danach hatte sie da Zimmer verlassen, ohne eine Antwort abzuwarten, und lautlos die Tür hinter sich geschlossen. Offensichtlich hatte sie die Wahrheit erraten. Wenn sie es James MacKinnion verriet... Die alte Frau hatte seit siebenundvierzig Jahren keinen Fergusson mehr gesehen - und doch war ihr die Ähnlichkeit zwischen Sheena und deren Großvater aufgefallen. Jamie war Dugald Fergusson und dem jungen Niall erst kürzlich begegnet. Trotzdem hatte er die Familienähnlichkeit nicht bemerkt. Und wenn Lydia ihn darauf hinwies? Dann würde es ihm wie Schuppen von den Augen fallen ...
    Rastlos warf sich Sheena im Bett umher, und ihre Kopfschmerzen wurden immer heftiger. Was sollte sie tun? Wenn der Laird von MacKinnion herausfand, wer sie war, würde er sie töten. Dass er sie begehrte, würde keinen Unterschied machen. Wäre es besser gewesen, mit ihm nach Aberdeen zu reiten? Nein - das hätte ihre Qualen nur verdoppelt. Sie wäre unterwegs vergewaltigt und später ermordet worden, wenn er Tante Erminia getroffen und erfahren hätte, dass Sheena dem Clan Fergusson angehörte.
    Als sie endlich Schlaf fand, beherrschte die Angst vor James MacKinnion ihre Träume. Sie ritt auf einem starken Hengst durch die Straßen von Aberdeen. Der Laird saß hinter ihr, die Arme um sie geschlungen, so dass sie weder abstürzen noch fliehen konnte. Sie näherten sich dem Kloster, und Tante Erminia stand vor der Tür, winkte aufgeregt und freute sich, weil ihre Nichte wohlbehalten zurückkehrte. Die Nonne ahnte nichts von der Gefahr, und Sheena konnte sie nicht warnen. Jamie zügelte das Pferd, erlaubte ihr aber nicht, abzusteigen. Die starken Arme hielten sie immer noch fest, immer fester, preßten ihr die Luft aus den Lungen, so dass sie kein Wort hervorbrachte. Er stellte die Frage, die sie gefürchtet hatte - ob ihre Tante Erminia MacEwen wäre. Mit aller Kraft riß sie sich von ihm los und schrie gellend, um die Antwort zu übertönen, doch er hörte sie trotzdem und warf sie zu Boden. Sie blickte auf, sah ihren Feind mit dem Schwert in der Hand, das Gesicht in schrecklichem Zorn verzerrt. Sie schrie wieder auf, als er die Waffe hob und niedersausen ließ, schrie immer weiter und wartete auf den tödlichen Schlag, der sie im nächsten Sekundenbruchteil treffen musste . Statt dessen legte sich eine Hand auf ihre Lippen und brachte sie zum Schweigen.
    Der Feind war verschwunden, mitsamt dem Schwert. Jemand hatte sie gerettet und tröstete sie, wisperte ihr beruhigende Worte ins Ohr. Als sie vor Erleichterung zu weinen begann, entfernte sich die Hand von ihrem zitternden Mund, und der Retter hielt sie in den Armen, um den letzten Rest ihrer Angst zu verscheuchen.
    Nun merkte sie, dass sie nicht mehr träumte. Sie befand sich im Turmzimmer, in dem dichtes Dunkel herrschte, weil die Kerze herabgebrannt war. Ein Mann saß auf ihrem Bett und

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